: „Die NPD hat keinen Bestandsschutz“
Weil die beiden höchsten Verfassungsrichter die Möglichkeit eines NPD-Verbots betont haben, will die Regierung ein neues Verbotsverfahren prüfen. Der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, erklärt den Zusammenhang
INTERVIEW DANIEL SCHULZ
taz: Herr Wiefelspütz, die Regierung und große Teile der SPD wollen ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD prüfen. Ist das mehr als vorgetäuschter Aktionismus?
Dieter Wiefelspütz: Die Professionalität gebietet es, ein neues Verbotsverfahren zu prüfen. Wenn der Präsident des Verfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier und sein Stellvertreter Winfried Hassemer sagen, dass ein Verbot nicht vom Tisch ist, dann ist das in dieser Form sehr bemerkenswert. Diese Einschätzung kann man nicht einfach zusammenknüllen und in den Papierkorb werfen. Ich war bisher auch entschieden gegen ein neues Verfahren, weil das nach dem letzten Urteil für mich ein abgeschlossenes Kapitel war. Diese Überzeugung muss nun überprüft werden.
Aber Papier und Hassemer haben doch nur den Stand der Dinge beschrieben. War der nicht schon vorher bekannt?
Natürlich hat das Gericht damals nicht in der Sache entschieden, sondern aufgrund von Verfahrensfragen. Damit ist ein Verbotsverfahren noch möglich – dahingehend hat sich die Rechtslage nicht geändert. Aber dass Hassemer und Papier sich explizit äußern, hat es so noch nicht gegeben. Deshalb muss die Sache geprüft werden. Uns ist aber völlig klar, dass ein zweites Verfahren nur mit Erfolgsgarantie gewagt werden darf.
Waren die Äußerungen der Richter eine Aufforderung für ein neues Verfahren?
Nein, das dürfen die Richter auch gar nicht. Es wird aber zu prüfen sein, ob ihre Äußerungen vielleicht Reaktionen auf die vor kurzem laut gewordene Kritik an dem damaligen NPD-Urteil des Verfassungsgerichtes waren und weniger eine fachliche juristische Äußerung.
Und wer soll denn prüfen, ob ein neues Verbot kommen soll?
Für diese Frage ist das Innenministerium zuständig. Und Otto Schily wird sich sicherlich mit dem am stärksten betroffenen sächsischen Innenminister Thomas de Maizière beraten. Natürlich muss er auch mit den erfahrenen Innenministern der Länder aus den verschiedenen Parteilagern sprechen, also gewiss mit Günther Beckstein aus Bayern und Fritz Behrens aus Nordrhein-Westfalen.
Und wie lange soll eine solche Prüfung dauern?
Auf solche Details möchte ich hier bewusst nicht eingehen, ich kann da den Zuständigen auch nicht vorgreifen. Klar ist aber, dass wir keine Verbotsdebatte brauchen können, die über Wochen und Monate geht.
Und wie denken Sie, wird diese Prüfung ausgehen?
Ich habe die NPD damals für verbotswürdig gehalten und tue dies noch immer. Aber ich bin skeptisch, was die Chancen eines solchen erneuten Verfahrens anbelangt. Denn es gibt eben keine Sicherheit, dass es erfolgreich ist. Und die Äußerungen aus dem Innenministerium zeigen, wie skeptisch auch dort die Chancen beurteilt werden.
Also ist das Prüfen doch eher ein taktisches Manöver der Regierung – und hat weniger mit inhaltlichen Gründen zu tun?
Die inhaltliche Auseinandersetzung muss sowieso stattfinden, ob nun mit oder ohne Gerichtsurteil. Es gibt doch kein juristisches Patentrezept gegen Rechtsextremismus, da soll sich niemand täuschen. Die Demokraten müssen die Köpfe und die Herzen der Menschen zurückgewinnen. Aber natürlich wird hier auch deutlich, dass die NPD keinen Bestandsschutz genießt. Sie wird beobachtet.
Sollte man die V-Männer in der NPD stilllegen, um das Verfahren zu ermöglichen?
Das ist genau die Schlüsselfrage, die zu prüfen ist. Und sie werden nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen beim derzeitigen Stand der Debatte darauf antworte.