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Archiv-Artikel

Der Studienort darf frei gewählt werden

Aber dürfen die Bundesländer ihre studierenden Landeskinder bevorzugen? 1972 entschied Karlsruhe dagegen

FREIBURG taz ■ Auch nach dem Fall des bundesweiten Verbots für Studiengebühren wollen manche Bundesländer das Studium gebührenfrei halten – aber nur für Landeskinder. Diese Ungleichbehandlung wirft jedoch neue rechtliche Probleme auf und dürfte zu Klagen in Karlsruhe führen.

In Hamburg wird schon heute danach differenziert, wo ein Student wohnt. Wer seinen Hauptwohnsitz außerhalb der „Metropolregion“ Hamburg hat, muss 500 Euro pro Semester bezahlen. Ein ähnliches Modell ist in der großen Koalition Bremens geplant. Nicht zuletzt wollen die Stadtstaaten Studierende zum Umzug bewegen, weil dies Vorteile im Länderfinanzausgleich bringt – nach Bremer Angaben 3.000 Euro pro Kopf und Jahr.

Einschneidender sind Pläne, die auf das Verfassungsgerichtsurteil von voriger Woche reagieren. Rheinland-Pfalz möchte zum Beispiel das Studium gebührenfrei belassen, hat aber Angst, bald von Studierenden aus Gebühren-Ländern „überrannt“ zu werden. Zu diesem Zweck müsste der Begriff des „Landeskindes“ anders definiert sein und etwa am Schulort festgemacht werden. Wer also in Stuttgart das Abitur abgelegt hat, würde dann auch bei einem Umzug nach Mainz nicht als Pfälzer Landeskind gelten.

Mit dem Grundgesetz sind solche Regelungen auf den ersten Blick nicht vereinbar. „Niemand darf wegen seiner […] Heimat und Herkunft […] benachteiligt oder bevorzugt werden“, heißt es zum Beispiel in Artikel 3. Und in Artikel 12 steht: „Alle Deutschen haben das Recht, […] die Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Letzteres war 1949 ausdrücklich deshalb in die Verfassung geschrieben worden, damit einzelne Länder an ihren Hochschulen nicht nur Landeskinder studieren lassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Urteil von voriger Woche mit dem Problem nicht beschäftigt. Allerdings hat es 1972 in seinem Numerus-clausus-Urteil eine Landeskinder-Regelung gekippt. Damals bekamen bayerische Bewerber für einen Medizin-Studienplatz im Freistaat einen Noten-Bonus. Das Verfassungsgericht fand dies „ersichtlich sachfremd“: Der Wohnort habe mit der Leistung nichts zu tun. In diesem Zusammenhang erklärten die Richter, das deutsche Hochschulwesen sei ein „zusammenhängendes System“. Die Bevorzugung von Landeskindern dürfe nicht das Grundrecht auf freie Wahl der Hochschule entwerten.

Bei den Studiengebühren kommt es wohl vor allem darauf an, wie hoch sie ausfallen. 500 Euro pro Semester beschränken die Wahl der Uni sicher weniger als 2.500 Euro. Vielleicht wird es aus Karlsruhe bald schon erste Hinweise geben. In einigen Wochen will das Bundesverfassungsgericht über die Landeskinderklausel bei der Bremer Privatschulfinanzierung urteilen. Freie Schulen bekommen in Bremen nur für Bremer Schüler Finanzzuschüsse. Schüler, die in Niedersachsen wohnen, gehen leer aus, seit das Land in den 90er-Jahren ein Finanzausgleichsabkommen mit Bremen gekündigt hat. Nun muss Karlsruhe entscheiden, ob die Bevorzugung der Bremer Schüler zulässig ist. CHRISTIAN RATH