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Archiv-Artikel

Sozial ist ein Schluck Wasser

Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre einigt sich auf gemeinsame Kampagnen. Prominente fordern Menschenrecht auf Trinkwasser. Tobinsteuer liegt bei Rot-Grün auf Eis

PORTO ALEGRE/ BERLIN taz ■ Die Trinkwasser-Vorräte der Welt gehören allen Menschen und dürften nicht privatisiert werden. Das ist eine zentrale Aussage des „Manifests von Porto Alegre“, das 19 internationale Künstler und Menschrechtler gestern Abend zum Ende des Weltsozialforums in Porto Alegre veröffentlicht haben. Der Zugang zu Trinkwasser solle zum Menschenrecht erklärt werden, schreiben unter anderem die Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel (Argentinien) und José Saramago (Portugal).

Das Weltsozialforum, der Gipfel der Globalisierungskritiker, protestiert damit gegen den Verkauf der öffentlichen Wasserversorgung unter anderem in Südamerika. Gegen die Privatisierung der Wasserversorgung wurden weltweite Aktionen am Weltwassertag, dem 22. März, beschlossen. Das Manifest enthält außerdem Forderungen nach einem Schuldenerlass für arme Länder und nach einer Erhöhung der Entwicklungshilfe. Als dringlich bezeichnen die Verfasser Maßnahmen gegen den Klimawandel und für den Schutz der sozialen Menschenrechte.

Auch neue internationale Steuern zur Finanzierung zusätzlicher Entwicklungshilfe stehen auf der Liste der Globalisierungskritiker – darunter eine Steuer auf internationale Devisengeschäfte, die so genannte Tobinsteuer. Zu dieser Steuer hatten sich Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beim Weltwirtschaftsforum von Davos vergangene Woche positiv geäußert – freilich ohne dass diese Neuorientierung in Porto Alegre bei den Globalisierungskritikern auf Resonanz gestoßen wäre.

Globalisierungsexpertin Ingrid Skarpelis-Sperk (SPD) mahnt die Bundesregierung nun, den Worten auch Taten folgen zu lassen. „Die sinnvolle Ankündigung des Kanzlers darf nicht durch bürokratische Verzögerung ausgebremst werden“, sagte Skarpelis-Sperk der taz.

Seit Monaten blockieren sich Rot und Grün gegenseitig. Verschiedene Ministerien, darunter Entwicklung, Finanzen, Wirtschaft und Außenpolitik, versuchen, eine gemeinsame Linie in Sachen Entwicklungsfinanzierung zu finden. Über das bloße Diskussionsstadium hinaus sind diese Bemühungen bislang allerdings nicht gekommen.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) unterstützt die Initiative von Großbritanniens Premier Tony Blair, auf den Kapitalmärkten vornehmlich privates Geld lockerzumachen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) plädiert dagegen für eine Tobinsteuer. Unlängst erst haben sich auch die Grünen für eine internationale Steuer auf Devisenspekulation eingesetzt.

Zusammen mit der Organisation Attac erneuert heute Wirtschaftsprofessor Paul Bernd Spahn (Uni Frankfurt) die Forderung nach der Tobinsteuer. Spahn hatte die Steuer vor zwei Jahren im Auftrag von Wieczorek-Zeul untersucht. Das Gutachten liegt seitdem bei Rot-Grün auf Eis. HANNES KOCH

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