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Archiv-Artikel

Nazi-Bunker sollen geschützt werden

Nach und nach lässt die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten die Nazi-Bunker des alten Westwalls zertrümmern. Erstmals planen Natur- und Denkmalschützer gemeinsame Aktionen gegen die Zerstörung der verfallenen Wehranlagen

von MIRIAM BUNJES

Sie hängen an den Decken und schlafen friedlich. In Hitlers ehemaligen Westwall-Bunkern leben scharenweise vom Aussterben bedrohte Langohren- und Wasserfledermäuse. „In den unzerstörten Bunkeranlagen haben sie den optimalen Lebensraum gefunden“, sagt Arno Kohlert vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) aus Eschweiler. „Hier sind sie auch im frostigsten Winter gut geschützt.“

Dieser Schutz ist allerdings ein ausgesprochen unsicherer: 17 Bunker bei Aachen wurden erst in der vergangenen Woche zertrümmert. Ihre Eigentümerin – die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten – begründet die Abrisse mit ihrer Pflicht zur Verkehrssicherung. Schließlich müsse sie für eventuelle Personenschäden am Westwall aufkommen.

„Für die Behörde bedeutet Sicherung offenbar Zerstörung“, sagt Sebastian Schöne vom BUND NRW. „Dabei würden es zum Teil auch Schilder oder Zäune tun.“

Schon seit Jahrzehnten kämpfen Bürger vor Ort gegen den Personenschutz mit der Abrissbirne. Den einen geht es um Wildkatzen, Fledermäuse oder Amphibien, den anderen um die Militärhistorie. Der BUND NRW will diese verstreuten Protestler jetzt an einen runden Tisch bringen und so gezielteren Druck auf Bundes- und Landesbehörden ausüben. „Der Bunker-Abriss ist eine enorme Steuerverschwendung zu Lasten des Natur- und Denkmalschutzes“, sagt Paul Kröfges, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender. „Auch das Sicherheitsargument ist so nicht nachvollziehbar, schließlich müssten bei einer derartigen Vollkasko-Mentalität ebenfalls alle Berge abgetragen oder Steinbrüche verboten werden, weil sich dort doch jemand beim Klettern verletzen könnte.“

„Grüner Wall im Westen“ heißt das BUND-Projekt, das den Westwall vor dem Abriss bewahren soll. „Uns geht es dabei in erster Linie um den Schutz der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt“, sagt Projektleiter Sebastian Schöne. „Einige der Tierarten, die am Westwall gesichtet wurden, stehen europaweit unter Schutz – zum Beispiel die Wildkatze. Die Abrisse sind deshalb eigentlich sogar rechtswidrig, weil hier Lebensraum zerstört wird.“

Allerdings können die Naturschützer die Existenz der Wildkatze und der bedrohten Fledermausarten bislang nicht beweisen. Der Bestand wurde nie wissenschaftlich erfasst und kontrolliert. „Lokale Tierschutzgruppen beobachten diese Arten unabhängig voneinander schon seit vielen Jahren“, sagt Schöne.

Mit der finanziellen Unterstützung der nordrhein-westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung will der BUND die Tierarten am Westwall jetzt erfassen lassen. „Dann haben wir ein stichhaltiges Argument an der Hand, um künftige Abrisse zu verhindern“, sagt Schöne. Um dieses Forschungsprojekt zu realisieren, fordern die Naturschützer ein mindestens zweijähriges Abriss-Moratorium.

Bei der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten war zu dem Thema niemand zu sprechen. Vom NRW-Umweltministerium bekommen die Naturschützer inzwischen Rückendeckung. „Wenn dort bedrohte Tiere leben, wird sich das Land für den Artenschutz einsetzen“, sagt Sabine Raddatz, Sprecherin im Umweltministerium. Man habe schon Gespräche mit der Bundesanstalt aufgenommen.

„Vielleicht klappt es ja auf dem grünen Ticket“, sagt Hans-Josef Hansen vom Geschichtsverein Hürtgenwald. „Der Westwall ist ein wichtiger Ort, um Geschichte auch für die nachfolgenden Generationen begreifbar zu machen.“

Die Interessen der Denkmalschützer geraten jedoch zum Teil mit denen der Naturschützer in Konflikt. „Wir wollen die Tiere vor den Menschen schützen und die Denkmalschützer wollen den Menschen die historischen Befestigungsanlagen zeigen“, fasst Sebastian Schöne zusammen. „An unserem runden Tisch lässt sich aber sicherlich ein Kompromiss finden: Schließlich lässt es sich auch aus tierschutzrechtlicher Sicht vereinbaren, dass Bunker an bestimmten Tagen im Jahr besichtigt werden dürfen.“ An den invasionsfreien Tagen des Westwalls sollen die Fledermäuse dann weiter in Ruhe in den alten Nazi-Gemäuern dösen dürfen.