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Archiv-Artikel

Schwarzer Faden, aber kein schönes Wetter

Positiver Kontrapunkt in der Bürgerschaft: Aktuelle Stunde zur Schul- und Sportpolitik ufert zur wellenschlagenden Generaldebatte aus

Es war so nicht geplant, aber bisweilen geschieht selbst in der Hamburger Bürgerschaft Unvorhersehbares. Eigendynamik nennt man das gemeinhin, und die sorgte gestern für einen positiven Kontrapunkt zu dem ansonsten so schematisierten Schlagabtausch. Zur Generaldebatte über die Politik des Senats uferten die Tagesordnungspunkte Schulpolitik und Sportstadt aus, zum demonstrativen Schulterschluss der Opposition aus SPD und GAL geriet die zweistündige Diskussion. Und je länger sie dauerte, desto schwächer wurden die Bemühungen der CDU, sich vor ihren Senat zu stellen.

Leitbild Brutalpädagogik

Mit heftigen Angriffen auf die Schulpolitik hatten Britta Ernst (SPD) und Christa Goetsch (GAL) zu Beginn die Richtung gewiesen. „Soziale Brutalität“ warf Ernst dem Senat vor und schlug den Satz „Geld hat man, oder man hat sich zu bescheiden“ als neues „Leitbild Hamburger Pädagogik“ vor. Auch Goetsch hielt sich nicht lange bei den schon oft diskutierten Reizwörtern wie Ganztagsschule oder PISA auf, sondern griff gleich frontal an.

Die Schulpolitik des Senats zeichne sich durch „Sparen ohne Sinn und Verstand aus“, behauptete sie und zählte auf: „1,2 Millionen Euro für Kurse bei den Jugendmusikschulen, 3,5 Millionen für Eintritt in die Vorschule, 3,2 Millionen für Schülerfahrkarten, 2,5 Millionen für Schulbücher, 2 Millionen für Schulschwimmen“ – das summiere sich, so die Lehrerin, zu einer „familienfeindlichen CDU-Politik“.

Mehr noch, es seien Dokumente einer „grundfalschen Schwerpunktsetzung“, befand SPD-Fraktionschef Michael Neumann und schlug den Bogen zur Bildungspolitik allgemein. Kürzungen von Etat und Kursangeboten bei der Volkshochschule, Abschaffung der Hochschule für Wirtschaft und Politik und damit des Studiums auf dem zweiten Bildungsweg oder Einführung von Studiengebühren – das alles sei, so Neumann, ein „schwarzer Faden der sozialen Ausgrenzung von Bildungsmöglichkeiten“.

Abschied vom Anspruch

So geschlossen und teilweise vehement Rote und Grüne sich gegenseitig applaudierten, so lasch fiel die Reaktion auf Regierungsseite aus. Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig räumte ein, dass „Eigenbeteiligungen der Eltern bei der Bildung unpopulär sind“, aber sie seien notwendig und zudem „sozial ausgewogen“. Dürr fiel der Beifall der CDU-Fraktion für die Parteilose aus, und als Christdemokrat Marino Freistedt den „Abschied vom schulpolitischen Anspruchsdenken“ verkündete, wollte in den eigenen Reihen auch keine Euphorie aufkommen. Geradezu betreten nahm die Union Freistedts Bonmot zur Kenntnis, die Opposition gedenke „der Schulpolitik der CDU nichts Gutes anzutun“ – SPD und GAL feierten ihn für seine Worte mit spöttischem Beifall.

Absaufende Sportstadt

Auch das „Leitprojekt Sportstadt Hamburg“ lasse der Senat „absaufen“, konstatierte Verena Lappe (GAL) im Hinblick auf die angekündigte Schließung dreier Bäder und die Einführung von Gebühren für das Schulschwimmen. Am Ende gebe es, prophezeite sie, zwar noch den Olympiastützpunkt Schwimmen in Dulsberg, „aber keine Kinder mehr, die schwimmen können“.

Umwelt- und Bädersenator Michael Freytag (CDU) beharrte darauf, auch mit weniger Badeanstalten „bleibt Hamburg Spitze“. Doch auch er werde „keine Schönwetterpolitik machen, sondern sparen“. Womit er, wie Freytag sich freute, „beim Kernpunkt Haushaltspolitik“ angelangt sei und sich fortan mit Walter Zuckerer (SPD) und Willfried Maier (GAL) ein mit Zahlen gespicktes Duell à trois lieferte.

Wechselseitig rechneten sie sich vor, welcher (rote, rot-grüne, schwarze) Senat der vergangenen 15 Jahre am meisten Schulden angehäuft und am meisten Tafelsilber verschleudert habe, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Trocken ist doof

„Sie wollen eine andere Stadt als SPD und GAL“, formulierte letztlich Neumann den entscheidenden Punkt. Für Bildung seien ausreichend Mittel da, behauptete er, nur werfe der Senat es lieber für „seine Leuchtturmprojekte“ aus dem Fenster: Marine-Museum Tamm, die U4 in die Hafencity, Flaniermeile Jungfernstieg – das Geld werde nur an den falschen Stellen ausgegeben.

Und das führe zu der Erkenntnis, schlug die Grüne Christiane Blömeke den Bogen zurück zu Sport und Schule, „dass Trockenschwimmen zwar billig, aber doof ist“. Sven-Michael Veit