Wo bitte ist Licht am Ende des Tunnels?

Das neue Stichwort der Bremer Finanzplanung heißt „Primärhaushalt“. Alle Zinsbelastungen, die der Bremer Schuldenberg verursacht, sind da herausgerechnet. Das Loch bleibt trotzdem riesig. Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) verriet jetzt, wie es bis 2009 ausgeglichen werden soll

500 Millionen Euro fehlen: Der Senat ist „seit zwei Tagen dran, das hinzukriegen“

Bremen taz ■ Der Koalitionsausschuss wird sich am Freitagabend erneut über Konsequenzen aus dem geplatzten Scheck namens „Kanzlerbrief“ beraten. Die erste Sitzung vor einer Woche, anberaumt mit derselben Intention, hatte keine vorzeigbaren Ergebnisse gebracht. Obwohl die desaströse Lage seit Monaten absehbar war, ist die Koalition weitgehend ratlos.

Der Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, hielt die Situation bereits im Dezember schriftlich fest. Das Papier liegt der taz vor. Schon vor dem offiziellen Ende der Kanzlerbrief-Illusionen rechnete das Rathaus demnach mit der „mittel- bis längerfristigen Fortdauer der extremen Haushaltsnotlage“. Die Kosten könnten nur bei einer „weiteren erheblichen Neuverschuldung“ gedeckt werden, schrieb Hoffmann am 6. 12. 2004. Die Erwartungen an den Kanzlerbrief seien „zu hoch und zu schematisch angesetzt“.

Ein „perspektivloses, unbefristetes Fortsetzen nur des Sparens“ sei aber „politisch unsinnig und gar nicht durchsetzbar“, formulierte der Steuermann der Bremer Senatspolitik. „Wann und wie gibt es Licht am Ende des Tunnels?“ sei die Frage, die beantwortet werden müsse. Und: „Wie sind die Öffentlichkeit und Medien für die Bremer Position zu gewinnen?“ Antworten enthält der Vermerk nicht. Nur einen Namen für das, was immer da kommen sollte: „Drittes Sanierungsprogramm“.

Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) hat jetzt vor Unternehmern den Stand der Beratungen zwei Monate später dargelegt. 500 Millionen Euro fehlen jährlich für die laufenden Ausgaben, 700 Millionen Euro für Investitionen – das Problem „ist mit konventionellen Mitteln und auf kurze Frist überhaupt nicht zu lösen“, bekannte Gloystein. Und deutete an, dass der Senat unvorbereitet in diese Lage geschlittert ist: Man sei „seit zwei Tagen dran, das hinzukriegen“.

Trick I: 550 + 200 = 0

Klar sei: Für die kommenden vier Jahre ist mit zusätzlichen Hilfen nicht zu rechnen. Zumindest für eben diesen Zeitraum plant der Senat nun ein Szenario, denn: „Der Patient muss noch heilbar sein, wenn die Medizin kommt.“ Bis zum Jahre 2009 wird die Summe der jährlichen Zins-Zahlungen demnach um 200 Millionen Euro steigen, derzeit sind es rund 550 Millionen Euro im Jahr.

Mit dem Begriff des „Primärhaushaltes“ will der Senat dieses Problem zumindest in der öffentlichen Betrachtung ausklammern. Ziel der „dritten Sanierungsperiode“ soll nun sein, 2009 einen ausgeglichenen „Primärhaushalt“ hinzubekommen. „Das ist ehrgeizig genug“, sagt Gloystein. Selbst wenn man die Zinsen außen vor lässt, erwirtschaftet das Land Bremen derzeit ein Minus von 600 bis 700 Millionen Euro im Jahr.

Trick II: 700 – X = 0

Im konsumtiven Bereich, so Gloystein, sollten bis 2009 Einsparungen im „hohen zweistelligen Millionenbereich“ erzielt werden. Auch bei den Investitionen sollten Abstriche erfolgen, aber nicht zu viel, denn das würde „die Zukunft verspielen“. Bei den Gewerbeflächen etwa sollten „lieber zu viel als zu wenig“ vorgehalten werden, auch wenn das teuer ist. Man dürfe sich nicht „durch kleinkarierte Diskussionen die Zukunftschancen zu verbauen“, betonte Gloystein.

Trotz allem bleibt – allein um den „Primärhaushalt“ bis 2009 auszugleichen – noch eine Lücke von 300 bis 500 Millionen Euro. „Ich halte das für möglich, dass wir das hinkriegen“, bekennt Gloystein. Wie? „Der Rest muss durch Wachstum kommen.“

Die Staatsfinanzen durch Wirtschaftswachstum zu sanieren, war schon 1994 die Idee des ersten, bis 1999 laufenden Sanierungsprogramms gewesen. Dass diese Rechnung selbst in der zweiten, jetzt zu Ende gehenden Sanierungsperiode nicht aufging, hatte zwei Gründe: Erstens wuchs die Wirtschaft nicht in dem gewünschten Maße, zweitens führte das Wachstum nicht zu relevanten Mehreinnahmen Bremens. Anlass, für die dritte Sanierungsphase nicht auf dieselbe Hoffnung zu setzen, ist das offenbar nicht.

Nachfragen nach „Ross und Reiter“ möglicher Kürzungen im Bereich der laufenden Kosten wollte Gloystein nicht beantworten. Nur: Im „Personalbereich“, insbesondere beim Gehalt der Grundschullehrer, liege Bremen über dem Bundesdurchschnitt. Überdurchschnittlich seien auch Standards für Behinderte, Spielraum gebe es bei den Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst. Auch über die Lehrmittelfreiheit an den Schulen könne man diskutieren, sagte Gloystein. Die Bremer könnten aber sicher sein: „Dem normalen Arbeitnehmer passiert gar nichts.“ kawe