WAS MACHT EIGENTLICH ...Tim Renner? : So richtig unspießig sein
Auf dem verschmierten Esstisch stehen Cornflakes. „Das ist eben nicht das Adlon“, meint Tim Renner und schaut auf seine Uhr. „Ha! Wir fangen richtig unspießig unpünktlich an.“ Der einstige Chef der Plattenfirma Universal hat in eine stilechte Kreuzberger Dachgeschoss-WG geladen. Zum „Start einer Radiorevolution“, wie Renner in vollster Zurückhaltung behauptet. Motor FM heißt sein Sender. Motor Music heißt schon Renners neue Plattenfirma. Zwischen zerfetzten Retro-Sesseln und Spüldienst-Tafeln turnt das ewige Wunderkind aufgeregt umher. Unterm Anzug ein ungebügeltes Hemd. „So richtig WG-mäßig!“ Die herumlungernden Mitte-Hipster pusten der staunenden Presseschar zustimmend ihren Zigarettenqualm entgegen. Sein „selbstausbeuterisches Projekt“ bezeichnet Renner als „Wohngemeinschaft Deutschland“: Coole, lokale oder internationale Mucke trifft sich in der schmuddligen Küche und schimpft auf den Mainstream. Der Tim führt zwangsjugendlich durch die Wohnung und zeigt, wie er die Klingeltonrepublik retten will. Sein Sender erspart sich Moderatoren-Gelaber, dafür sind alle Songs im Internet gegen Geld downloadbar. Über dem ungemachten Bett hängt ein Transparent: „Wir wollen eure Werbung nicht!“. Stattdessen will Renner subtile Markenkooperationen, etwa den Telekom-Jingle in der Punk-Version. Mit dem Mainstream sei das wie mit dem Faschismus oder dem Kommunismus, meint Renner: „Alles tote Systeme!“. Er sagt: „Wir haben einen Auftrag!“. Nur wer den erteilt hat, bleibt unklar. PAB FOTO: MOTORMUSIC