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Archiv-Artikel

„Das ist Schilda!“

Jetzt auch bei den Bremer Grünen: Zoff um die Unabhängigkeit Bremens. Die Fraktion will sie erhalten – einflussreiche Berliner wie Fritz Kuhn nicht

Bremen taz ■ „Dass man aus einer Aussage, die Zustimmung zur Steuerreform würde kein Fehler sein, eine Zusage über 500 Millionen Euro ableitet und die auch im Haushalt verbucht – so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Fritz Kuhn, wirtschaftspolitischer Experte der grünen Bundestagsfraktion und ehemals Bundesvorsitzender, am Donnerstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung der Grünen in der Bremer Bürgerschaft. „Das ist Schilda!“

Die aktuelle Haushaltsschieflage zeige, so Kuhns Argumentation, dass es um die Überlebensfähigkeit des Stadtstaats nicht sonderlich gut bestellt sei. In Bremen dürfe man keinen Euro-Segen des Bundes erwarten, weil der Bund selbst massive Probleme habe. „Wir haben überall in Deutschland strukturschwache Regionen“, sagte Kuhn. Deshalb könne es für finanzschwache Länder wie Bremen oder das Saarland nicht unbegrenzt Ergänzungszuweisungen geben.

Kuhn ging sogar noch weiter: „Dass wir in fünfzehn Jahren noch 16 Bundesländer haben werden, diese Vorstellung ist absurd.“ Sein Szenario: Wenn in fünf Jahren, parallel zur Bundestagswahl 2010, die Bürger Brandenburgs und Berlins für eine Fusion der beiden Bundesländer votieren, dann werde „ganz selbstverständlich“ ein gewisser Druck auf die Stadtstaaten entstehen – vor allem auf Bremen.

„Wenn die Fusion von Berlin und Brandenburg erfolgreich ist, dann bin ich gespannt, was hier geschieht“, formulierte Kuhn. Selbstverständlich wolle er sich nicht in Bremer Belange einmischen. Immerhin müssen die Bremer Bürger selbst über eine eventuelle Fusion mit Niedersachsen und Hamburg zu einem Nordstaat entscheiden – so bestimmt es das Grundgesetz. Doch Kuhn ließ keinen Zweifel daran, dass er eine solche Perspektive für ökonomisch wie politisch richtig hält. Und dass er mit dieser Meinung in der Bundesregierung nicht alleine dasteht.

Eine Meinung, die Bremens Grüne nicht gerne hören werden. Im Wahlprogramm der Grünen für Bremen heißt es klar: „Bremen muss Stadtstaat bleiben“. So ist auch Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bremer Bürgerschaft, kaum angetan von den Überlegungen ihres prominenten Parteifreunds aus Berlin: „Das macht wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn, mehrere Hungerleider aneinander zu ketten“. Als Nordstaat würden Bremen und Niedersachsen eine dreistellige Millionensumme verlieren. Geld, das ihnen sonst aus dem Länderfinanzausgleich zusteht.

In der bundespolitischen Debatte sind Kuhns Bemerkungen kein Einzelfall. Schon jetzt stünde Bremen unter einem hohen Druck bezogen auf seine Selbstständigkeit, glaubt Karoline Linnert. Und auch Klaus Möhle, wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, hat bemerkt: „Bremen hat keine Lobby in Berlin“. Was laut Möhle aber eher an der Politik der großen Koalition als an der Zukunftsfähigkeit des Stadtstaats liegt.

Doch bei der Frage nach grünen Mitstreitern für den Stadtstaat auf Bundesebene muss auch Möhle passen. „Wir arbeiten dran“, sagt er.

Florian Neuhann