Fatale Überhitzung

Neue Studie macht kurzfristigen Temperaturanstieg für die meisten Fälle von plötzlichem Kindstod verantwortlich

DRESDEN taz/afp ■ Eine neue Studie hat einen Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Kindstod und der Wetterlage nachgewiesen. Manche Babys könnten einen raschen Temperaturanstieg vor allem im Winter offenbar nicht gut genug ausgleichen, sagte der Dresdner Mediziner Ekkehart Paditz gestern auf einer Expertentagung in Dresden. Von 728 untersuchten Fällen von Kindstod in der Schweiz traten demnach 94 Prozent auf, nachdem sich die Außentemperatur über Nacht um mehrere Grad Celsius erhöhte.

Eltern packten in missverstandener Fürsorgeabsicht die Kleinstkinder oft zu fest ein, sagte Paditz. Die drohende Überwärmung könne dann von den Kindern nicht mehr ausreguliert werden. Die Empfehlung laute daher, von den Naturvölkern zu lernen und freie, luftige Wiegen oder Kinderbetten einzurichten. Babys sollten gerade in den Wintermonaten in kühlen, gut gelüfteten Räumen bei 16 bis 18 Grad, auf dem Rücken und im Schlafsack ohne zusätzliche Decke schlafen.

Neben dem plötzlichen Temperaturanstieg ist das Rauchen während der Schwangerschaft der größte Risikofaktor für den plötzlichen Kindstod. Vor allem bei jungen Mädchen und speziell in Ostdeutschland sei die Zigarette auf dem Vormarsch, warnte Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

In der Bundesrepublik starben im letzten statistisch erfassten Jahr, 2002, insgesamt 367 Kinder am plötzlichen Säuglingstod. Damit rangiert diese Todesursache trotz deutlicher Präventionserfolge immer noch vor allen anderen im Kindesalter. Ärzte räumen heute ein, mit der seit Ende der Sechzigerjahre gegebenen Empfehlung, Säuglinge in der Bauchlage schlafen zu lassen, selbst eine Tragödie verursacht zu haben.

Im Jahr 1991 hatte es noch 1.285 Todesfälle gegeben, fast viermal so viele wie heute. Seither haben Fachmedizin und Aufklärung viel bewirkt – insbesondere in Sachsen, wo besonders viele Säuglinge starben. Die Verbreitung eines handlichen Faltblatts mit Empfehlungen für Eltern hatte im Freistaat einen Rückgang der Fälle um 70 Prozent zur Folge. MIB