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Archiv-Artikel

Karlsruhe rettet Basistarif

GESUNDHEIT Klage der privaten Krankenversicherungen wurde abgelehnt, aber nur weil der Basistarif in der Praxis gar keine große Rolle spielt

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Viel gejammert und wenig gewonnen. Die Klage der Privaten Krankenversicherer (PKV) gegen die Gesundheitsreform von 2007 wurde am Mittwoch auf ganzer Linie abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht sah die Existenz der Privatversicherer in keiner Weise bedroht – allerdings nur deshalb, weil der umstrittene Basistarif für Kunden völlig unattraktiv ist und in der Praxis keine große Rolle spielt.

Mit der Reform wollte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die privaten Kassen – in denen sich traditionell nur Selbständige, Beamte und gut verdienende Arbeitnehmer versichern können – sozialer und effizienter machen. Kern der Neuerungen war die Einführung eines Basistarifs mit geringeren Leistungen, in den zum Beispiel Privatversicherte wechseln können, wenn ihnen die privaten Normaltarife im Alter zu teuer werden. Außerdem müssen die Privatversicherer inzwischen jeden Neuinteressenten in den Basistarif aufnehmen, unabhängig vom Beruf, Alter und Gesundheitszustand.

„Das zerstört unser Geschäftsmodell“, klagten die Privatkassen. Den billigen Basistarif müssten alle Kunden mit Normaltarif mitfinanzieren, dort würden die Beiträge so stark ansteigen, dass die Privatkassen auf dem Markt keine Chance mehr hätten, klagten die Firmen. Tatsächlich haben sie den Basistarif aber so ausgestaltet, dass er jedenfalls für Neukunden völlig unattraktiv ist. Bis zu 570 Euro pro Monat werden verlangt (für Bedürftige die Hälfte). Bisher haben deshalb nur rund 6.000 Versicherte das Angebot angenommen – bei insgesamt rund 8,6 Millionen Privatversicherten.

Kein Wunder, dass Karlsruhe im Basistarif nun wirklich kein Problem erkennen konnte. Die Berufsfreiheit der Krankenversicherer sei nicht verletzt. Die Einführung eines für alle zugänglichen Basistarifs sei vom Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt. Karlsruhe verlangte vom Gesetzgeber nur, die Situation weiter zu beobachten. Sollte doch noch ein Run auf den Basistarif eintreten, müsste der Bundestag zugunsten der Privatversicherer eingreifen. Auch die künftige Einführung eines wirklich attraktiven, aber für die Kassen nicht kostendeckenden Basistarif wäre „problematisch“, erklärten die Richter.

„Das ist eine dauerhafte Bestandsgarantie für die private Krankenversicherung“, sagte Reinhold Schulte, der Vorsitzende des Verbands der Privaten Krankenversicherung.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bestritt dies umgehend: „Das Gericht hat dem Gesetzgeber großen Spielraum gelassen, wenn es darum geht, die Risiken gerecht zu verteilen.“ Tatsächlich haben die Richter den Übergang zu einer einheitlichen Bürgerversicherung nicht verboten. Die Existenz der privaten Krankenversicherungen muss nur so lange gesichert werden, wie es neben gesetzlichen auch private Krankenversicherungen geben soll.

Auch die Einführung von mehr Wettbewerb unter den privaten Krankenkassen haben die Verfassungsrichter akzeptiert. Seit der Reform von 2007 können Privatversicherte bei einem Kassenwechsel ihre Altersrückstellungen teilweise mitnehmen. Damit wird der Wechsel zu einer anderen (Privat)-Kasse für die meisten Privatversicherten überhaupt erst denkbar. Die Richter hielten etwas mehr Wettbewerb durchaus für „zumutbar“.

Nur an einem Punkt gab es eine knappe Entscheidung in Karlsruhe. Die Versicherungen hatten moniert, ihr Werben um neue Kunden werde unzulässig behindert, weil gut verdienende Angestellte jetzt erst in die PKV wechseln können, nachdem sie drei Jahre hintereinander mehr als 48.600 Euro pro Jahr verdient haben. Nur fünf von acht Richtern hielten diese Maßnahme, die die gesetzliche Versicherung stabilisieren soll, für verhältnismäßig (Az. 1 BvR 706/08).