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Archiv-Artikel

Grüner Präsident ohne Vorsitz: Andreas Wiebe

Einen Monat war Detmolds Regierungspräsident Andreas Wiebe Vorsitzender der evangelischen Stiftung „Ludwig-Steil-Hof“. Seine Konfessionslosigkeit fiel erst jetzt auf, der Rücktritt folgte. Zurück bleibt eine geschockte Provinz

Offiziell ist alles nur ein „Missverständnis“. Ob er überhaupt noch Mitglied einer Kirche ist, hat Andreas Wiebe niemand gefragt – auch nicht, als er Anfang des Jahres den Vorsitz der evangelischen Stiftung „Ludwig-Steil-Hof“ mit Sitz im ostwestfälischen Espelkamp übernahm. 1948 zur Flüchtlingshilfe gegründet, ist die heute besonders in den Bereichen Jugend- und Altenhilfe tätig, fördert Jugendliche mit nichtdeutscher Muttersprache, hat berufliche Bildung, aber auch psychosoziale Rehabilitationsmaßnahmen an. Als 2002 das Stiftungskuratorium auf der Suche nach einem neuen Mitglied war, Ende vergangenen Jahres dann ein neuer Vorsitzender des Stiftungsrats gefunden werden musste, war Wiebe erste Wahl – nicht aus repräsentativen Gründen: Als Regierungspräsident hat der Grüne in Nordrhein-Westfalens stillem Osten Macht und Einfluss.

Außerdem schien Wiebes Christentum über Zweifel erhaben: Sein Studium des Bauingenieurwesen, das den gebürtigen Bielefelder für neun Jahre an die Universität Hannover verschlug, unterstützte noch das evangelische Begabtenförderungswerk „Studienwerk Villigst“. Danach machte er bis ‘97 Karriere im Bielefelder Stadtreinigungsamt – als Leiter stellte Wiebe, der den Grünen ‘94 beitrat, von der preußisch-kameralistischen auf die kaufmännische Rechnungsführung um.

Es folgte ein Ausflug als Stadtkämmerer in Hamm. Hier engagierte sich Wiebe für das Projekt „Bürgerhaushalt“, bei dem Interessierte Einblick in die kommunale Finanzplanung nehmen konnten – die Entscheidungen aber fielen weiter in Rat. 2001 rückte Wiebe dann zum Detmolder Regierungspräsidenten auf: Aus Proporzgründen stand dem kleinen Koalitionspartner eine Bezirksregierung zu, und um die Düsseldorfer Grünen um den heutigen parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Johannes Remmel, klein zu halten, bestand Nordrhein-Westfalens sozialdemokratischer Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement auf einem Akademiker.

Wiebes Vorzeigeprojekt als Regierungspräsident ist auch hier der Bürokratieabbau. Der kommt zwar nicht wie geplant voran – doch das schockiert die Ostwestfalen weniger als Wiebes Kirchenaustritt vor 15 Jahren. Der sei zwar „Privatsache“, doch soll sich selbst Alfred Buß, Präses der evangelischen Landeskirche von Westfalen, für eine Rückkehr des grünen Regierungspräsidenten in den Schoß der Kirche stark gemacht haben – bisher vergeblich. Für die evangelische Studienstiftung, die Wiebe das Stipendium gab, muss das eine Enttäuschung sein: „Villigster bleibt man sein Leben lang.“

ANDREAS WYPUTTA