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Archiv-Artikel

Es lächelt die klingende Münze

KNAPP DANEBEN „Hätte klappen können“: In den Sophiensælen werden Bücher vorgestellt, die das Zeug zum Bestseller hatten, aber keiner geworden sind

Heil und Weh des Geldes. Hoffnung und Hybris, Bilanz und Kollaps

Eine einfache Idee: Man stellt etwa fünf bis zehn Titel aus dem Bereich Belletristik und Sachbuch vor, die in den vergangenen fünf Jahren das Zeug dazu gehabt hätten, unter den Top Ten zu landen, es aber mysteriöserweise nicht an die Spitze schafften. Man gibt dem Programm einen griffigen Titel: „Hätte klappen können“. Fünf bis sechs Schauspieler lesen schließlich sorgsam ausgewählte Passagen vor, dazu wabern Klänge, Geräusche, Musikfetzen aus dem Off. Einer der Darsteller erläutert, worum es in den Werken geht und wer sie verfasst hat. Über ein rotes Leuchtlaufband verfolgt der Zuschauer noch die restlichen Informationen zum Buch (welcher Verlag, wann erschienen). In den Sophiensælen hatte am Mittwoch das zweite von drei Abendprogrammen Premiere.

Hätte auch schiefgehen können. Das wäre ein alternativer Titel gewesen für ein Konzept, das Elemente aus dem Kammertheater mit Motiven aus Literaturfernsehsendungen vermischt. Denn literarische oder essayistische Texte zielen darauf ab, im Kopf des Lesers und der Hörerin zu entstehen – den Bedingungen der Bühne gehorchen sie nicht unbedingt von allein. Doch die Gruppe, die sich „theater konstellationen“ nennt, löste dieses knifflige Problem virtuos. Geschickt zwängte sie die Masse an Text in das Gerüst eines Themas, das „Wirtschaftswunder“ lautete; und sie nutzte spielerisch das sich daraus ergebende Ableitungspotenzial.

Da gab es den Bericht einer Hamburger Taxifahrerin auf ihrer grotesken Jagd nach Kleinstgewinn (Karen Duves Roman „Taxi“), Originalzitate Alfred Herrhausens zur Möglichkeit der Finanzierung eines wiedervereinigten Deutschlands (aus der Biografie von Andreas Platthaus), scharlatanistisches Geschwätz von Londonern Brokern („Cityboy“ von Geraint Anderson): All diese Stimmen gerannen zu einem Konzentrat aus Gegenüberstellungen unterschiedlicher Perspektiven auf das ökonomische System. Heil und Weh des Geldes. Hoffnung, Hybris, Bilanz und Kollaps als Vergleich. Aber die Formatierung durch das Thema war nicht der einzige gelungene Trick des Abends.

Dass die Darsteller die ganze Zeit über an einem langen Tisch saßen und in ihre Mikros sprachen, erwies sich eben nicht als Ausdruck der Einfallslosigkeit, sondern als maximale Ausnutzung reduzierter Mittel. So musste man auf der Bühne einfach das übergeordnete Bild einer Konferenz sehen, an dem nichts anderes verhandelt wurde als die Illusion von der Lenkbarkeit des Geldes. Und dass nicht nur brav Text zitiert wurde, sondern die einzelnen Fragmente beinahe in ein Figurenmuster auf- oder in gut dosierte Improvisationen übergingen, offenbarte, dass es sich hier um eine Methode aus dem Geist der Collage handelte.

So entkommt die Gruppe um Simon Bauer, Tina Kemnitz, Jonas Knecht, Marc Lippuner, Ulrike Schneider und Martin Wehrmann der Falle einer gut gemeinten, jedoch im Kern fragwürdigen Vermittlung von Literatur eben durch ihre theaterorientierte Handhabung des Stoffes. Was man da sah, war ein eigenes Stück – und kein Bestsellerratgeber. Das war auch das Schöne daran, dass ein schwer zu fassendes Element in den unterschiedlichen literarischen Konzeptionen durch die Inszenierung deutlich sichtbar wurde. Nämlich die Nähe von Geld und Sprache. Anders ausgedrückt: die Überschneidung der Affektgeladenheit bei Kommerz und Kunst, das ironische Lächeln der klingenden Münze. Dass dabei die Schauspieler nicht Comedy machten, sondern in ihre zwitterhaften Rollen aus Vorlesern und angedachter Figur schlüpften – und sich offensichtlich wohl fühlten –, war deutliches Indiz, dass das Konzept aufgegangen war. Zu sehen ist das „Wirtschaftswunder“-Programm nochmals im September. MANUEL KARASEK

■ Programm: www.haette- klappen-koennen.blogspot.com