: „Wir wollen Sie hier auch nicht“
Flüchtlingshelfer und Kirche erheben schwere Vorwürfe gegen Ausländerbehörde: Schikane und Willkür gegenüber Migranten seien an der Tagesordnung. Angst treibe Flüchtlinge in die Illegalität. Amtsleiter schließt „Einzelfälle“ nicht aus
von Claudius Schulze
Schlecht geschlafen habe er, sagt Bekim Bekimi*. Weil er Angst habe vor seinem Besuch in der Ausländerbehörde. Angst vor den Sicherheitsbeamten, die jeden kontrollieren, der hinein will. Angst vor den martialischen Absperrgittern, durch die er muss, wenn er vorgelassen werden möchte, und an denen er seine Papiere abgeben muss. Und Angst vor der Ungewissheit, was ihn erwarten wird.
Bekimi stammt aus dem Kosovo. Als er 19 Jahre alt war, floh er vor dem Krieg aus dem damaligen Jugoslawien. Zurückkehren will der heute 34-Jährige nicht mehr. Er fürchtet sich vor Verfolgung, ist sich sicher, im Kosovo nicht willkommen zu sein. „Wir wollen Sie hier auch nicht!“ habe ihm in der Ausländerbehörde eine Sachbearbeiterin entgegnet, als sie ihm den unsicheren Duldungsstatus verlängerte.
Chrissi Frische, Flüchtlingshelferin vom „Café Exil“, bestätigt die rücksichtslosen Worte. Die ehrenamtlichen Helfer von Café Exil unterstützen Migranten beim Gang in das Klinkerhaus in der Amsinckstraße, helfen beim Schreiben von Briefen oder vermitteln Rechtsanwälte.
Was Bekimi widerfuhr, ist kein Einzelfall: Laut Frische herrscht ein Klima von Angst, Willkür und Erniedrigung in der Anlaufstelle, in der sich alle Migranten ihren Aufenthalt in der Hansestadt genehmigen lassen müssen. „Der latente Rassismus in der Behörde ist unerträglich“, so Frische. Offenbar werde bewusst Druck aufgebaut, um die Menschen abzuschrecken. Viele Migranten tauchten lieber ab, als weiter von der Behörde abhängig zu sein.
„Der Ton in der Ausländerbehörde ist ausgesprochen rüde und menschenverachtend“, bestätigt Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche. Auch sie hat den Eindruck, „dass die Ausländerbehörde darauf aus ist, Menschen in die Illegalität zu drängen“. Tagtäglich würden Flüchtlinge „angeschrien, beschimpft, unter Druck gesetzt und schikaniert“.
So wie Manu Akofa*: „Ich habe viel durchgemacht in Hamburg“, sagt die Schülerin. Vor zwei Jahren floh die damals 14-Jährige aus Togo. Jedes Mal, bevor sie zur Verlängerung ihrer Duldung in die Ausländerbehörde muss, sei sie „angespannt“, schlafe kaum und könne sich „schwer konzentrieren“. Mehrmals hätten Behördenmitarbeiter sie angeschrien und unterstellt, dass sie lüge. „Dann haben sie meine Handtasche ausgeleert und durchsucht.“ Ihr Adressbuch sei durchforstet worden. „Ich habe nur noch geweint“, so Manu Akofa.
„Schlimm“, so Pastorin Dethloff, sei das Verfahren der Altersbestimmung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, das auch die Afrikanerin erleben musste. „Selbst das Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisiert die Situation in Deutschland“, sagt Dethloff. So werde den Kindern und Jugendlichen häufig das Alter nicht geglaubt, würden ihre Dokumente als Fälschung tituliert. In jenen Fällen stellen die Sachbearbeiter ohne medizinische Kenntnisse das Alter durch bloße Inaugenscheinnahme fest. Meistens werden die Jungen und Mädchen älter gemacht, denn Hamburg darf über 15-jährige Asylsuchende auf andere Bundesländer verteilen. Rechtsmittel gibt es kaum. Und um sich auf eigene Kosten für bis zu 150 Euro im Institut für Rechtsmedizin untersuchen zu lassen, fehlt den Flüchtlingen das Geld.
Manu Akofa hatte die Summe aufgebracht, nachdem die Behörde sie vor zwei Jahren einfach für 16 erklärt hatte. Im Institut bei der Untersuchung „musste ich alles ausziehen. Drei Männer kommen, um zu wissen, ob ich Jungfrau bin“, erinnert sie sich. Die Ärzte hätten ihre Brüste abgetastet und die Stärke der Schambehaarung untersucht, springt ihr Vormund Anke Wegener ein, als Manu Akofa zu weinen beginnt. Institutschef Klaus Püschel hält die Schilderung für „möglich“: „Keiner von uns ist mit einem Mädchen alleine, das ist eine dienstliche Anordnung.“
Die Helfer vom Café Exil können von vielen weiteren Fällen berichten. Derzeit erstellen sie mit dem Hamburger Flüchtlingsrat eine Dokumentation. Ausländerbehördenleiter Christoph Bushart verwahrt sich gegen die Vorwürfe: „Dass wir Leute bewusst in den Untergrund drängen, ist Blödsinn.“ Durchsuchungen von Taschen seien zudem rechtmäßig. Systematisch erniedrigt würde niemand. Allerdings, räumt Bushart ein, „kann ich im Einzelfall nicht ausschließen, dass solche Dinge vorkommen“.
*Namen geändert