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Archiv-Artikel

„Jeder muss sich historisch bilden dürfen“

Stephanie Mantaj vom Oberhausener Jugendclub Courage über die Streichung der Landesmittel für Fahrten nach Auschwitz und Buchenwald und warum jeder Jugendliche zu diesen historischen Tatorten fahren sollte

taz: Warum sind Fahrten nach Auschwitz wichtig? Können SchülerInnen nicht in Büchern und im Unterricht alles über die Nazis erfahren?Stephanie Mantaj: Ein mehrtägiger Besuch in einer Gedenkstätte ist sehr viel intensiver, als es eine Stunde in der Schule überhaupt leisten könnte. Es ist einfach was anderes, ob ich ein Foto in einem Buch sehe oder selbst am Ort des Schreckens bin. Wir fahren ja nicht zwei Stunden mal Auschwitz angucken, wir bereiten uns im Vorfeld inhaltlich darauf vor und arbeiten auch in der Gedenkstätte weiter, begehen lange die Anlage.

Wie reagieren die Jugendlichen auf ihre Eindrücke?

Sie sind sehr betroffen, in Dachau zum Beispiel waren sie lange sprachlos. Die Jugendlichen diskutieren dann aber auch untereinander, zum Beispiel nach einem Zeitzeugengespräch, oder sie erzählen von ihrem Großvater oder Urgroßvater und seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg. Vor Ort ist eine ganz andere Auseinandersetzung möglich.

Welche Jugendlichen fahren denn mit? Sind diese nicht sowieso schon historisch aufgeklärt?

Ganz unterschiedlich, manche waren schon bei anderen Begegnungen dabei, andere haben über Freunde davon erfahren. Von einem Mädchen war der Großvater in Dachau gefangen. Viele interessieren sich aber auch zum ersten Mal für unsere Geschichte, es sind immer viele Neue mit dabei.

Können die nicht auch ohne die Zuschüsse des Landes fahren?

Es müssen auch Jugendliche mitfahren können, die nicht unbedingt eine dicke Brieftasche im Hintergrund haben. Unsere Fahrten kosteten bisher immer unter 100 Euro. Ohne Landesgeld kosten sie dann 500 Euro, viele können nicht mitfahren. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich historisch zu bilden. Das sagt doch jetzt jeder Politiker, wenn es um die NPD geht.

Was haben Ihre Fahrten mit dem Zulauf zur NPD zu tun?

Schüler, die in Dachau oder Auschwitz waren, sind meiner Meinung nach kaum noch empfänglich für die Neonazi. Sie sind informiert und haben sich mit der Ideologie auseinander gesetzt, mit den Hintergründen und wie das Naziregime entstehen konnte. Es gibt ja auch eindeutige Studien die besagen, je gebildeter oder politisch interessierter ein Mensch ist, desto weniger ist er anfällig für Rassismus und Antisemitismus.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES