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Archiv-Artikel

Der Kiebitz, ein Verräter

Manche Vögel spielen den Wildwiesen-Gegnern beim Naturschutz-Poker Trümpfe zu

Von est

Der Kiebitz ist ein schwieriger Kunde und politisch sträflich naiv: Wer gegen flächendeckende Vogelschutzgebiete ist, braucht nur auf ihn zu zeigen und hat die Wahrheit auf seiner Seite. Denn wo brütet dieser Verräter im Kampf gegen blühende Wiesen und stillgelegte Bauernhöfe? Auf rappelkurz geschorenen, intensiv beweideten Flächen.

Ähnlich blöd ist die Uferschnepfe, die es mit dieser Strategie inzwischen ganz weit nach oben auf der Liste bedrohter Arten geschafft hat. Und auch der Zwergschwan schert sich einen Dreck um die Versuche der Umweltschützer, Flächen der Obhut von Mutter Natur zu überlassen: Zwergschwäne weiden nicht im langgrasigen, selbst verwalteten Wiesenbiotop. Auch sie ziehen glattes Weideland vor.

„Wo Land sich selbst überlassen bleibt, verschwinden die Vögel“, argumentieren die Gegner der Vogelschutzgebiete. Die Landwirte unter ihnen berichten von der guten Zusammenarbeit zwischen Bauer und Vogel und beteuern, beim Mähen keine Brutpaare über den Haufen zu fahren. Ohne menschliche Hilfe, sagen sie, hätten Kiebitz oder Uferschnepfe gar keine Nistplätze, und auch die seltene Trauerseeschwalbe benötige die Schwimmflöße, die wohlmeinende Landwirte als Brutplätze auf die Gräben Eiderstedts setzen. 20 Jahre Vogelschutz, sagen die Gegner, und was ist herausgekommen? Es gibt weniger Vögel als vorher.

Dass die Bestände von Kiebitz, Uferschnepfe und anderer Arten europaweit dramatisch sinken, ist in gewisser Weise ein natürlicher Prozess: Gerade der Kiebitz, der zum Brüten kurze Wiesen und zum Fressen feuchte Weiden braucht, war immer ein seltener Vogel. In den 1950er Jahren hatte er für eine kurze Zeit einfach Glück: Bearbeitete und unbearbeitete Flächen standen in einem Verhältnis, das für den Kiebitz ideal war, die Population nahm zu. Dieser Zeitraum umfasste nur wenige Jahre, seither sinkt die Zahl der Tiere wieder. Dass der Kiebitz die beweideten Flächen liebt, habe einen einfachen Grund, berichtet Heike Köster von der Naturschutzstation Bergenhusen: „Sein natürlicher Lebensraum existiert nicht mehr. Genau lässt es sich gar nicht sagen, aber wir nehmen an, er hat in Überschwemmungsgebieten genistet, in denen nach dem Frühjahrshochwasser das Gras kurz war.“

Da der Kiebitz es versäumt hat, gegen den Deichbau zu protestieren, muss er nun beim Bauern brüten, der die Wiesen kurz hält. Und er muss die Flügelspitzen drücken, dass die Naturschützer genug Feuchtwiesen erhalten, damit er etwas zu fressen findet. est