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Archiv-Artikel

Kann denn ein Stadtstaat pleite gehen?

Im kleinsten Bundesland raunt’s vom Staatsbankrott. Philipp Genschel, Politologe an der International University Bremen, erklärt, warum der nur theoretisch möglich ist

Von WIE

taz: Kann ein Bundesland wie Bremen, das einen öffentlichen Haushalt hat, überhaupt pleite gehen?

Philipp Genschel: Nicht in dem Sinn, in dem eine Firma pleite geht, wenn die Zahlungsunfähigkeit festgestellt wird. Das Bundesland verschwindet ja nicht. Aber es kann eine Haushaltsnotlage entstehen, aus der das Land sich nicht mehr so einfach befreien kann.

Wann würde dieser Fall denn eintreten?

Wenn die Einnahmen, die aus Krediten und Steuern zur Verfügung stehen, die Ausgaben nicht mehr decken. Es gibt ja Regeln, wie ein Haushalt zu gestalten ist, zum Beispiel soll die Neuverschuldung die Investitionen nicht übersteigen. Das ist aber schlecht durchzusetzen, wenn das Geld aus Steuereinnahmen nicht da ist. Das sieht man ja auch in der Europäischen Union, wo die meisten Mitgliedsstaaten sich stärker neu verschulden, als sie dürften, ohne dass etwas geschieht.

Von Argentinien sagt man doch, es sei wirklich pleite gegangen. Gibt es ein solches haushaltspolitisches Horroszenario überhaupt?

Bei Argentinien kommt die Währungsdimension hinzu. Nachdem man die Bindung an den Dollar nicht mehr halten konnte, konnte der Staat die Schulden nicht mehr bezahlen, die er im Ausland aufgenommen hatte. Aber auch Argentinien ist nicht pleite in dem Sinne, dass der Staat verschwunden ist.

Was ist in diesem Zusammenhang eine so genannte Haushalts-Sperre?

Das gibt es ja in vielen Ländern fast jedes Jahr. Eine Haushaltssperre wird von der Regierung oder eben vom Senat verhängt und bedeutet nicht, dass die Zahlungsunfähigkeit bevorsteht. Eine Haushaltssperre bedeutet nur, dass das Geld in einem vom Parlament bewilligten Haushaltstitel schon vor der Zeit ausgegeben ist und der Senat kein weiteres Geld beim Parlament nachträglich beantragen will.

In Berlin ist es ja auch so, dass Finanzsenator Thilo Sarrazin munter weitermacht, obwohl er selber sagt, dass der Haushalt schon lange nicht mehr verfassungskonform ist. Kann ein Bundesland also unbegrenzt Schulden aufnehmen, oder ist auch die Argentinien-Option denkbar?

Es ist theoretisch denkbar, dass ein öffentlicher Haushalt keine privaten Kredite mehr bekommt. Auf internationaler Ebene gibt es ja Kreditratings, nach denen zum Beispiel Russland mal als Risikoland eingestuft wurde und so für seine Kredite einen Aufschlag bezahlen muss. In Bremen ist das aber nicht zu befürchten, weil natürlich davon ausgegangen wird, dass der Bundeshaushalt das auffängt. Im schlimmsten Fall könnte Bremen unter Bundesverwaltung gestellt werden. Das wäre politisch nicht schön für Bremen, würde aber nicht den Untergang bedeuten. FRAGEN: WIE