: Surfen kostet Monatsgehälter
Birma auf der Transmediale: Trotz fehlender Internetanschlüsse hat Widerstand im Cyberspace ein Echo in den Straßen von myanmarischen Metropolen. Ein Lagebericht
Als Ende der Achtziger in Birma alle auf die Straße gingen, war auch Maung Maung Myint dabei. Und als die Proteste gegen die Einparteienherrschaft in einem Blutbad endeten, gehörte der junge Mediziner zu denen, die aus dem Land flüchteten. Allerdings ging er nicht wie die meisten in die Nachbarstaaten des südostasiatischen Landes, sondern nach Norwegen, wo ihm politisches Asyl bewilligt wurde. Während er an der Universität von Oslo seinen Doktor machte und weiterhin als Arzt arbeitete, führte er seine politischen Aktivitäten fort. Seit 1996 hat sich Myint bei Radiosendern wie dem norwegischen „Democratic Voice of Burma“ oder „Radio Free Asia“ engagiert, das seine Sendestation in den USA hat.
Heute arbeitet er als Vorstandsmitglied für die im Januar 2001 gegründete „Burma Media Association“ (BMA). Die internetgestützte, unabhängige Organisation, die sich für die Meinungsfreiheit in Myanmar einsetzt, hat mehr als achtzig Mitglieder aus zwölf verschiedenen Ländern und konnte ihr Netzwerk durch den Anschluss an „Reporters without Borders“ noch erweitern. Nun wurde das Projekt zur transmediale eingeladen.
Die Situation in seinem Heimatland habe sich sehr verändert, erklärte Maung Maung Myint auf dem Podium der Birma gewidmeten Veranstaltung. Nach der Machtergreifung durch das Militär 1988 wurden Parteien zugelassen, bereits im September des gleichen Jahres hatte sich eine Opposition formiert. Aus den Parlamentswahlen vom Mai 1990 ging trotz zahlreicher Restriktionen die demokratische NLD siegreich hervor. Das Parlament wurde jedoch nicht einberufen; die Militärs blieben an der Macht und sperrten Aung San Suu Kyi ein, die Führerin der Oppositionspartei. Die Bemühungen der Widerständischen wurden dadurch aber eher beflügelt als gedrosselt.
Anschaulich wurde dies durch die Ausführungen von Kanjin Sugita. Sie pendelt als Kunst- und Kulturvermittlerin zwischen Birma und Thailand hin und her und lieferte auf dem Podium mit ihren Reiseanekdoten altvertraute Bilder: Internet können nur die Bewohner der zwei großen Städte in Anspruch nehmen. Die Kosten für eine Stunde Online-Zugang belaufen sich auf ein Zehntel eines Monatsgehalts. Wer sich das leisten kann und will, muss erdulden, wie ihm bewaffnete Militärs beim Chat über die Schulter schauen. Größere Verbreitung hat das Fernsehen gefunden. Bollywood, chinesische Martial Arts, koreanische Soaps und Sportberichte sind beliebt. Allerdings auch diverse Schwarzmarktprodukte.
In diesem medialen Klima werden die Informationskampagnen der BMA lanciert. „Den Erfolg solcher Kampagnen zu beurteilen ist schwierig“, sagt der Zahnarzt über seine Arbeit. „Wenn man aber bedenkt, dass von der Junta überwachte Zeitungen 2003 vier und 2004 fünf lange Artikel gedruckt haben, um uns anzugreifen, dann scheinen unsere Bemühungen nicht umsonst gewesen zu sein.“
Ähnlich geht es Internet-Projekten, wie der Myanmar Future Generation. Die myanmarische Hip-Hop-Gruppe, die nur im Cyberspace existiert und damit für das Militärregime gewissermaßen nicht greifbar ist, wird aufgrund der mageren Anschlussmöglichkeiten innerhalb des Landes kaum gehört. Aber die Rückkopplungen, die durch die Zensurmaßnahmen gegen die aufständischen Reime der Gruppe entstehen, haben ein Echo bis in die Straßen von Rangun.
KRYSTIAN WOZNICKI