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Archiv-Artikel

Angst vor Eyademas Zorn

Nach dem Tod von Togos Machthaber herrschen Angst und Verunsicherung. Streikaufruf der Opposition unter dem Motto „Totes Togo“ wird nur zögerlich befolgt

Um welchen Preis ist die Opposition bereit, das neue Regime zu bekämpfen?

LOMÉ taz ■ Das Gestänge der Lichtergirlanden hängt noch entlang der Prachtstraße am Strand von Lomé. Mitte vergangenen Monats war die Marina Schauplatz einer der vielen Inszenierungen zum Personenkult des am Samstag verstorbenen Präsidenten. Jedes Jahr erwartete Gnassingbé Eyadema von seinen Landsleuten, dass sie den 13. Januar als Tag der Befreiung feierten. An diesem Tag hatte Eyadema vor 38 Jahren im kleinen westafrikanischen Land geputscht. Mit seinem Tod am vergangenen Samstag habe der dienstälteste Machthaber Afrikas das togoische Volk nun wirklich befreit, sagt ein Besitzer einer Getränkebude hinter vorgehaltener Hand. Aber öffentliche Freudenfeiern gibt es nicht. In Togo ist keine Zeitenwende eingetreten.

Als die Grenzen im Laufe des vergangenen Montags wieder geöffnet wurden, war alles wie sonst. Die Grenzbeamten verlangten die üblichen Extra-Zuwendungen in Form von Münzen. Die Taxis füllten sich zwar nicht so schnell wie sonst. Aber die wichtigsten Dinge gab es wieder zu kaufen. Schulen hatten geöffnet. Nur größere Geschäfte, Banken und Behörden blieben geschlossen. Inhaber von kleineren Geschäften entschieden selbst, ob sie dem zweitägigen Streikaufruf der Opposition folgen wollten. Etwa die Hälfte sperrte die Ladentüren auf. Wohl weniger aus Ablehnung des Streiks, der die Missgunst der Menschen gegenüber der verfassungswidrigen Präsidentennachfolge ausdrücken sollte. Vielmehr, weil sie sich keinen Ausfalltag leisten können.

Dabei kann keiner den Togoern im Streiken was vormachen. Anfang der Neunzigerjahre folgten sie einem fast einjährigen Generalstreik gegen Eyadema. Aber heraus kam nur noch mehr Unterdrückung. Eyadema wackelte nicht. Auch jetzt scheint er die Zügel noch in der Hand zu haben. Die Menschen sind ängstlich und vorsichtig, als könnte Eyadema jeden Moment wieder auferstehen und richtig wütend werden. Sämtliche Machtinstitutionen standen Sparlier, um die Nachfolge Eyademas durch seinen Sohn Faure Gnassingbé zu ermöglichen. Das Parlament änderte in einem Hauruck-Verfahren die Verfassung. Die staatliche Tageszeitung Togo-Presse zeigte am Dienstag in einem großformatigen Foto den neuen Staatschef zusammen mit den Richtern des Verfassungsgerichts. Die Militärs hatten ihren Teil getan, als sie kurzerhand den rechtmäßigen Nachfolger, Parlamentspräsident Fambare Ouattara Natchaba, entmachteten, indem sie ihn nach einer Auslandsreise nicht ins Land zurückließen. Gerüchten in Lomé zufolge soll Ouattara Natchaba nun wieder im Land sein und sich mit der Opposition zusammengetan haben.

Wie es weitergeht, ist offen. Gestern endete der Streikaufruf. Jetzt heißt es, die Opposition rufe zu Demonstrationen auf. Das wäre die Stunde der Wahrheit: Um welchen Preis ist die Opposition bereit, das neue Regime zu bekämpfen? Um welchen Preis sind Sicherheitsbehörden und Militärs bereit, die verfassungswidrige Machtrochade zu verteidigen?

Die BBC berichtet von einem Treffen des Generalsekretärs der westafrikanischen Wirtschaftsunion (Ecowas) mit Faure Gnassingbé kurz vor dessen Vereidigung zum Präsidenten am Montag. Der Generalsekretär wird zitiert, die Gespräche seien sehr fruchtbar gewesen. Vor dem Hintergrund der klaren Linie der Regierungschefs der Ecowas-Länder, dass diese Machtübergabe nicht akzeptabel sei, kann es nicht nur um Nebensächlichkeiten gegangen sein. Weitere Details aber wurden nicht bekannt.

Im Herzen der Hauptstadt Lomé liegt der „Platz der Märtyrer“. Auch er war bislang verwaist. Erste Studentenproteste wurden bereits aufgelöst, obwohl Militärs und Sicherheitskräfte nicht sonderlich mehr Präsenz zeigen als zuvor. Togos Zukunft hängt wohl davon ab, ob es neue Märtyrer geben wird.

HAKEEM JIMO