: Bussi für Donald Rumsfeld
Generalbundesanwalt Kay Nehm nimmt keine Ermittlungen gegen den US-Verteidigungsminister wegen Folter im Irak auf. Ob Rumsfeld zur Sicherheitskonferenz nach München kommt, ist ungewiss
VON CHRISTIAN RATH
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat von der deutschen Justiz nichts zu befürchten. Gestern lehnte Generalbundesanwalt Kay Nehm die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen der Foltervorwürfe im irakischen Militärgefängnis Abu Ghraib ab.
Die Anzeige gegen Rumsfeld und neun andere hochrangige US-Militärs war Ende 2004 von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck im Namen von vier Irakern sowie der US-Organisation Center for Constitutional Rights eingereicht worden. Kaleck, der auch Vorsitzender des linken Anwaltvereins RAV ist, stützte sich dabei auf das deutsche Völkerstrafgesetzbuch, das seit Juli 2002 in Kraft ist und noch nie angewandt wurde. Es sieht vor, dass Kriegsverbrechen und Völkermord in Deutschland auch dann abgeurteilt werden können, wenn keine Deutschen als Täter oder Opfer beteiligt sind.
Doch Kay Nehm betonte nun die „Subsidiarität“, also die Nachrangigkeit, des deutschen Gesetzes gegenüber der amerikanischen Rechtsprechung. „Vorrangig zuständig für die Strafverfolgung“ seien im Falle von Abu Ghraib die USA. Und es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Vereinigten Staaten „von strafrechtlichen Maßnahmen Abstand genommen hätten oder Abstand nehmen würden“.
Nehm verweist dabei ausdrücklich auf die bisher erhobenen Anklagen gegen unmittelbar Beteiligte wie Charles Graner, die auch schon zu Verurteilungen geführt hatten. Doch Wolfgang Kaleck geht es nicht um Soldaten und Unteroffiziere. Er will diejenigen vor Gericht sehen, die für die Misshandlung und Demütigung irakischer Gefangener in Abu Ghraib politisch verantwortlich sind. Erst vorige Woche hat er Kay Nehm neues Material vorgelegt, wonach die hochrangigen Militärs in den USA nichts zu befürchten haben. Der Völkerrechtler Scott Horton hatte anhand zahlreicher Interviews sogar belegt, dass US-Soldaten geradezu abgeschreckt wurden, an einer umfassenden Aufklärung des Abu-Ghraib-Skandals mitzuwirken.
Kaleck ließ sich durch die gestrige Nachricht allerdings nicht entmutigen. „Den Hinweis auf die Zuständigkeit der USA müssen wir wohl vorerst akzeptieren. Aber wenn in drei Monaten oder einem halben Jahr in den USA immer noch nicht gegen Rumsfeld ermittelt wird, dann werden wir die Strafanzeige einfach erneut vorlegen“, kündigte Kaleck gegenüber der taz an.
Die gestrige Nachricht von Kay Nehm kam zwei Tage vor Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz, an der Donald Rumsfeld in den letzten Jahren teilgenommen hatte. Zuletzt waren die Organisatoren aber davon ausgegangen, dass der US-Verteidigungsminister diesmal zu Hause bleibt. Rumsfeld selbst räumte ein, dass die Strafanzeige dabei eine Rolle spielte. „Das ist sicherlich ein Thema“, sagte er vorige Woche in Washington.
Wollte Kay Nehm nun in letzter Minute noch grünes Licht signalisieren? Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestritt dies gegenüber der taz. „Die Prüfung war abgeschlossen, warum sollten wir länger warten.“
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