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Es wirkt ein wenig wie Flucht

Selbst die weißen Rosen haben die Neonazis bereits für sich okkupiert. Beim offiziellen Gedenken waren viele Dresdner nur noch sehr hilflos

AUS DRESDEN DANIEL SCHULZ

„Das ist doch zum Kotzen“, sagt Monika Müller. Fest in ihre blassgrüne Windjacke eingepackt steht die Frau vor einem Blumenmeer. Ganz vorne liegen Kränze mit Spruchbändern in Deutschlandfarben oder weniger plakativ in schwarz-weiß. „Zum Gedenken der Toten des alliierten Bombenterrors“ steht da oder auch: „Euer Leid bleibt unvergessen“. Daneben stehen die Namen der Spender: DVU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Deutsche Partei, NPD-Kreisverband Dresden. Tränen laufen an der ovalen, grauen Brille von Frau Müller hinunter, die weiße Rose in ihrer Hand umklammert sie fest. „Ich lege die hier nicht hin“, sagt die 64-jährige. „Nicht dahin, wo die Nazi-Kränze liegen.“

Eigentlich hatte Monika Müller, die als Fünfjährige den Angriff überlebt hat, ein Zeichen setzen wollen gegen die Rechtsextremen, wie viele andere auch. Nur deshalb trugen sie auf dem Dresdner Heidefriedhof die weißen Rosen aus Seide an den Jacken, echte in den Händen. Doch der 60. Jahrestag ist ohne die Rechten nicht denkbar. Was man gegen sie auch tut, es scheint sich alles für sie zu wenden. Weiße Rosen sollten die Dresdener tragen als Gedenken an die Opfer, aber auch als Zeichen gegen die Nazis. Die reagierten damit, dass sie selbst alle weiße Rosen tragen. Geheim haben sich die Stadtratsfraktionen vor dem offiziellen Termin getroffen, um ohne NPD der Bombentoten zu gedenken. Eine Distanzierung soll es sein, aber ein wenig wirkt es auch wie Flucht.

„Es ist schwer, was soll man machen“, sagt eine andere Frau mit blonden kurzen Haaren, „man hätte die Nazis als Erste gehen lassen können, dann lägen ihre Kränze jetzt hinten.“ Aber dann, sagt sie, hätte es geheißen: NPD darf als Erste Kränze niederlegen. Derzeit habe man das Gefühl, man könne gegen die Rechtsextremen kaum etwas tun. Alles funktioniert nur in Relation zu ihnen. Die Hilflosigkeit schlägt auch um in Wut.

Als die Rechtsextremen ihre Kränze niederlegen, stürmen Kameraleute nach vorn. „Ihr seid doch widerlich“, ruft die blonde, kurzhaarige Frau, und ein Mittvierziger zerrt gar an einem Kameramann. „Wie die Aasgeier seid ihr“, ruft er, „warum müsst ihr die zeigen?“ Der sagt, er mache auch nur seine Arbeit. Von den Rechtsextremen benutzt fühlen sich viele Dresdener, auch die, die später am Rand der Neonazi-Demo stehen. Doch auch von den Linken wollen viele nichts wissen, seitdem die einen Tag zuvor „No tears for Krauts“ gefordert haben. „Die haben das Leid nicht erlebt“, sagt ein Mann, der als Kleinkind aus Dresden auf die Elbwiesen entkam.

„Da war eine Frau, die auf einer Bank saß, und meine Mutter trug mich. Dann ging wohl eine von den Zeitzünderbomben hoch, und von der Bank standen nur noch Teile.“ Er bat seine Mutter, ihm die Augen zu verbinden. Heute steht er inmitten eines Pulks von Männern in Kapuzenpullovern aller Farben, die zu Holger Apfel und seinen Gefolgsleuten neben dem üblichen „Nazi raus!“ auch rüberrufen: „Ihr habt den Krieg verloren!“. Und dass Deutschland Bomben und ein Hochwasser brauche. „Unsäglich“ finden das vor allem ältere Menschen. „Eigentlich gibt es aber Schlimmeres“, sagt ein Zahnarzt, der aus Leipzig extra angereist ist. „Die sind jung, die können noch dazulernen.“ Wenigstens stünden sie nicht drüben. Und auch da ist wieder das Bezugssystem NPD.

„Aber was sollen wir denn auch anderes machen“, sagt eine Zwanzigjährige, die in Dresden studiert hat und jetzt hier lebt. „Wir müssen natürlich etwas gegen die Nazis tun.“ Den Jüngeren gehe es nun einmal vor allem darum, weniger um den 13. Februar. „Ich verstehe, wie die Älteren den Tag sehen, für die ist natürlich das Bombardement bestimmend. Aber unser hauptsächliches Problem ist nun einmal, dass wir wegen der Neonazis nicht mehr sicher auf die Straße gehen können.“ Die Sprüche der Antideutschen findet sie auch „nicht alle in Ordnung“. Aber die hätten wenigstens erkannt, worum es gehen müsse. Andere Jugendliche wissen gar nicht mehr, was es mit dem 13. Februar auf sich hat, unter den Linken mit den Trillerpfeifen stehen natürlich auch einige in Cordhosen und Turnschuhen, die da sind, „um mal den Apfel zu sehen“. Das sei wirklich schlimm, sagt ein Elektroinstallateur, dessen Vater bei den Bombenangriffen starb. Die Jugend entferne sich beim Gedenken von den Älteren.

Der ehemalige Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi schien die Dresdner Verunsicherung zu ahnen. Seine „Dresdner Rede“ klang wie eine Hilfestellung. Eine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu rechtfertigende Brutalität sei der Angriff gewesen. Aber ohne den von Deutschen begonnenen Krieg nicht denkbar.

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