UTA GENSICHEN ÜBER DEN GESUNDHEITSBERICHT : Schiefes Gesellschaftsbild
Schöne Zahlen sollten es sein, die der Gesundheitsbericht da präsentierte. Hört sich auch gar nicht so schlecht an: Hamburger sind so gesund wie nie zuvor und werden immer älter. Doch es gibt bei den Ergebnissen zweierlei zu kritisieren. Zum einen ist es fraglich, ob der Versuch, die 100-Jahre-Marke zu knacken, wirklich als gesundheitspolitisches Ziel gelten muss. Schließlich steigt die Lebensqualität nicht unbedingt proportional zur Lebensquantität.
Außerdem entwirft Gesundheitssenator Dietrich Wersich ein schiefes Gesellschaftsbild, wenn er die Hamburger in sportliche Alsterjogger und müde Sesselpupser einteilt. Die einen nützen demnach dem Gesundheitssystem, die anderen schaden ihm. Dass ein sportsüchtiger Extremjogger aber die Kassen mindestens genauso viel kosten kann wie ein Bewegungsmuffel, sollte in dieser Rechnung nicht vergessen werden.
Vergessen zu haben scheint Wersich außerdem den aktuellen Versorgungsplan der Kassenärztlichen Vereinigung. Vor allem arme Stadtteile beklagen demnach eine Flucht der Fachärzte in die besser situierten Viertel. Im Zahlenspiel der Gesundheitsbehörde wird jedoch nur die allgemeine Überversorgung sichtbar. Es scheint, als hätte der Gesundheitsbericht die Sesselpupser aus den unteren Schichten ausgeklammert. Schön sind sie aber, die Zahlen.