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Archiv-Artikel

Lernen Sie Behördendeutsch!

Vor dem per Zuwanderungsgesetz geförderten Sprachkurs kommt die Lektion im deutschen Formularwesen. Doch wer kein Deutsch kann, kommt damit kaum klar. Die Bildungsträger stöhnen, nur die zuständige Behörde kennt keine Klagen

Von ede

bremen taz ■ Der Blick ins Bremer Volkshochschulverzeichnis zeigt: Der Deutschkurs ist auch nicht mehr, was er mal war. Lernblöcke in verschiedenen Stufen und Modulen, à hundert Stunden und zu 120 Euro – dahinter steckt der Integrationsgedanke des Zuwanderungsgesetzes und vor allem: die im Bundestag beschlossenen Modalitäten. Die wurden aber erst am 13. Dezember verabschiedet und sind schon seit 1. Januar in Kraft. Darunter leiden jetzt Bildungsträger, DozentInnen und MigrantInnen. Nur das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das frühere Asylbundesamt in Nürnberg, tönt: „Wir hören keine Klagen. Bundesweit gibt es mehr als 180 Kurse.“

Darunter auch Kurse in Bremen, beim Bildungswerk der Katholiken, dem Bildungszentrum der Wirtschaft oder dem Paritätischen Bildungswerk. Und mit Beginn des neuen VHS-Semesters werden es noch mehr. 265 Anmeldungen zählt die zuständige VHS-Fachgebietsleiterin Ricarda Knabe. Doch wie auch Bernd Möller von den Katholiken klagt sie: Mit dem neuen Verfahren sei der Verwaltungsaufwand enorm gestiegen. „Wir brauchen pro Anmeldung viermal länger als vorher“ – um Menschen über Zuschüsse zu beraten, um sie zum Bremer Bamf nach Habenhausen zu schicken, um dann den Antrag mit ihnen auszufüllen, „denn wer kein Deutsch kann, schafft das kaum“, dann das weitere Abwarten zu erklären undundund. „Viele Interessenten fühlen sich hin- und hergestoßen“, bestätigt Möller. Die Bürokratie sei kaum zu durchschauen.

Zwar gilt die zuständige Bremer Niederlassung des Bamf als „sehr kooperativ“. Doch kann gerade sie Zweifelsfälle kaum entscheiden. Dazu gehören beispielsweise die vielen Einwanderer, die wenig Geld verdienen. Für sie muss erst geprüft werden, ob sie staatlichen Zuschuss bekommen. Die zugewanderte Altenpflegerin beispielsweise, die 700 Euro im Monat verdient, ihr arbeitsloser Mann hat 300 weitere Euro – doch mit vier Kindern bleibt kein Cent übrig. Vorerst zusagen oder absagen? Träger müssen fürchten, auf dem Risiko sitzen zu bleiben.

Schon fürchtet die VHS rund 70.000 Euro Mindereinnahmen im Vergleich zum Vorjahr, als die Zuschüsse einfacher liefen. Das katholische Bildungswerk, das alle Deutschkurse seit Jahresbeginn voll hat, sieht sich in einer anderen Klemme: Weil unter 20 Teilnehmern drei oder vier individuell vom Bund finanziert werden, fallen jetzt Landesmittel für den Kurs flach. Hier drohen Einbrüche – die die Dozenten schon erreicht haben. Deren früheres Mindesthonorar von 23 Euro pro Stunde gilt nicht mehr. Das Salär der Freiberufler wird sich bei 18 Euro einpendeln, sprechen kritische Beobachter von einem „schlimmen Trend“.

Dabei klang alles so schön. Denn auch arbeitslose Alg II-EmpfängerInnen können den Deutschkurs bezahlt bekommen. Sogar Alphabetisierungskurse für Schreibunkundige, aber auch für Tamilen oder Russen mit ihrer ganz anderen Schrift, werden finanziert. Wüsste die für Alg II-Empfänger zuständige Bagis das nur. „Manche Mitarbeiter haben davon noch nichts gehört. Denen müssen wir das erst erklären“, berichten Bildungsträger.

„Teilhabe an der Sprache hoch zu bewerten und durch das Zuwanderungsgesetz zu fördern, war eine gute Idee“, sagt VHS-Chefin Barbara Loer. Allerdings drohe das hoch bürokratische Verfahren, die gute Absicht zu konterkarieren. ede