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Archiv-Artikel

Brandenburg streicht Blick nach rechts

In Brandenburg gibt es immer mehr rechte Gewalttaten. Gleichzeitig will das Land die Mittel für Anti-rechts-Initiativen drastisch kürzen. Der kritische Verein „Opferperspektive“ wird gar nicht mehr gefördert und steht vor dem Aus. Experten: fatales Signal

VON DANIEL SCHULZ

Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten in Brandenburg ist im vergangenen Jahr um 18 auf 105 gestiegen, sagt das dortige Innenministerium. Dennoch will die Landesregierung die Mittel für Anti-rechts-Initiativen drastisch kürzen. „Wir werden deutlich abschmelzen“, sagt Sven Petke, Generalsekretär der CDU der taz. Der Haushaltsentwurf der Regierung betreffe mehrere 100.000 Euro. Allein das Bildungsministerium muss 200.000 Euro für Maßnahmen gegen Extremismus streichen.

Besonders hart wird es für das Modellprojekt Opferperspektive, das seit 1998 Opfer rechtsextremer Gewalt betreut. Der Verein soll gar kein Geld vom Land mehr bekommen, heißt es im zuständigen Justizministerium. „Unserem Haus werden alle derartigen Mittel gestrichen“, sagte ein Sprecher der taz. „Wir können solche Projekte nicht mehr machen.“ Lottomittel seien zwar als Ausgleich angedacht. Doch laut Vergabekriterien könnten die Ministerien damit „keine bestimmte institutionelle Förderung machen und einen Verein über Jahre fördern“.

Die Opferperspektive steht daher vor dem Aus. Denn ohne die beantragten 45.000 Euro aus dem Landesetat gibt es eigentlich auch die 200.000 Euro aus dem Bundes-Programm Civitas nicht mehr. „Ein Kofinanzierung durch das Land ist erforderlich“, sagte eine Sprecherin. Aber man wolle nichts Endgültiges sagen. Bis Sommer ist noch Geld von Civitas da. „Es kann nicht sein, dass wir wegen 45.000 Euro Schluss machen sollen“, sagt Geschäftsführerin Judith Porath. Man müsse bereits Spenden sammeln, um zu überleben.

Die brandenburgische Regierung begründet die Einschnitte mit Sparzwängen, das Land hat Schulden von 17 Milliarden Euro. Doch gerade beim Verein Opferperspektive „kann man nicht ausschließen, dass politische Gründe eine Rolle spielen“, wie der PDS-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg sagt. Mehrmals musste das Innenministerium in der Vergangenheit Opferzahlen korrigieren, weil der Verein genauere Daten hatte. „Die Opferperspektive befand sich mehr in der Auseinandersetzung mit dem Staat als mit dem Rechtsextremismus“, sagt CDU-Mann Petket. „Ich weiß nicht, inwiefern das Veröffentlichen verschiedener Opferzahlen wirklich einen Beitrag leistet.“ Zwar sagt Petke wie sein Parteichef und Innenminister Jörg Schönbohm, dass das Bekämpfen des Rechtsextremismus oberste Priorität habe: „Aber Wichtigkeit heißt ja nicht unbedingt Staatsgeld.“

Für die Rechtsextremismus-Expertin Helgard Kramer von der FU Berlin sind die Streichungen ein „fatales Signal“. Politiker dürften nicht immer nur davon reden, dass Rechtsextremismus bekämpft werden müsse, und andererseits die Mittel für den Kampf dagegen streichen. Beim Koalitionspartner SPD zeichnet sich nach der Kritik ein Umdenken ab. Der Innenexperte Werner Siegwart-Schippel sagte, „man werde sicherlich noch einmal über den Entwurf reden“.