Faust als Kapitalist

KURT KÖRBER Mit Zigarettenmaschinen hat er ein Vermögen gemacht, das er seiner Stiftung übertrug. Ein Essay würdigt den Stifter, ohne seine dunklen Seiten auszusparen

Anfangs ist Körber das Paradebeispiel des opportunistischen Karrieristen

VON MAXIMILIAN PROBST

Stifter sind, wie vielleicht sonst nur Künstler, in der Ambivalenz zuhause. Was sie mit der rechten Hand raffen, streuen sie mit der linken wieder aus. Nachdem sie Tausenden den Boden unter den Füßen weggerissen haben, spannen sie freundlich lächelnd ein soziales Netz.

Da ist auch Kurt A. Körber (1909 – 1992) keine Ausnahme, der in Zigarettenmaschinen gemacht hat. 90 Prozent der Filterzigaretten, sagte er einmal, seien in seinen Maschinen gedreht und diese Quasi-Monopolstellung erreicht man nicht, ohne Konkurrenz platt gemacht, wenn nötig im Keime erstickt zu haben. Körber einen „Kapitalisten mit Gemeinsinn“ zu nennen, so der Titel eines kürzlich erschienenen biografischen Essays von Hermann Schreiber, geht nur an, wenn man sich des Widerspruchs im Beiwort jederzeit bewusst ist.

Gut, das Buch ist der „edition Körber-Stiftung“ erschienen, da ist der blinde Fleck in der Perspektive programmiert. Sieht man davon ab, hat der Autor, der einmal Chefredakteur von Geo war, ein lesenswertes Buch geschrieben. Mit einer Sympathie für den Stifter, die sich auch kritische Schlenker nicht verkneift.

Altmeisterlich gelingt dem Autor der Einstieg in den Text, in dem er mit Körbers Tod zugleich auch dessen Persönlichkeit umreißt. Wie der 82-Jährige, dem eine schwere Herzoperation angetragen wird, den Ärzten das Heft aus der Hand nimmt und den Termin selber bestimmt, am nächsten Tag sollte sie sein; wie er sich abends von seinem Chauffeur durch die Stadt kurven lässt, vorbei an den Villen der Elbchaussee, von denen er nie eine erwarb, weil die feine Hamburger Gesellschaft ihm den Einlass verwehrt hatte; wie er mehrfach aussteigt, monologisiert, und an den Landungsbrücken mit dem Blick auf den Hafen sagt: „Hier möchte ich immer wieder herkommen.“ Das bringt uns den alten, einsamen Körber näher.

Anfangs ist Körber dagegen das Paradebeispiel des eitlen, opportunistischen Karrieristen. Aufgewachsen mit der Bewunderung seiner Mutter für Rosa Luxemburg, wird der junge Ingenieur zwecks beruflicher Karriere NSDAPler, leitet eine Maschinenfabrik, die auf Waffenproduktion umgeschaltet wird, und optimiert „mit durchschlagendem Erfolg“ die Flagscheinwerfer der Marine.

Nach dem Krieg, den er im zerbombten Dresden überlebt, geht er nach Bergedorf. Dort macht er mit den Hauni-Maschinenwerken sein Vermögen, das er, kinderlos, später seiner 1957 gegründeten Stiftung überträgt. Mit der verschreibt sich Körber der Bildung, der Kunst und Kultur. Er fördert die Staatsoper, das Thalia-Theater und finanzierte den Umbau der Deichtorhallen zum Museum. Dafür darf er auf dem Vorplatz eine Skulptur aufstellen, die das Firmen-Motiv, die Körber-Ringe, aufgreift.

Dass Körber genauso wenig in die Reihen der Kunstwelt aufgenommen wurde wie in die Riege der Hanseaten, zeigt exemplarisch ein prominenter Kommentar zu dem hoch aufragenden Stahlgebilde. Genüsslich zitierte damals der Spiegel Harald Szeemann, den Kurator der Eröffnungsausstellung: „Zwei Nullen. Geht’s hier zum Klo?“