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Archiv-Artikel

Das Wunder der Bel Etage

Wie es doch noch zu einem Wahrheit-Interview mit dem großen Christopher Lee kam

Nach zehn Minuten traute ich mich, selbst etwas zu fragen. Dafür war ich ja hier

Was bisher geschah: Eine Redakteurin versucht verzweifelt Kontakt zu ihrem Lieblingsschauspieler Christopher Lee aufzunehmen, denn sie würde gern ein Interview mit dem großen Idol führen. Sämtliche Versuche scheitern. Die Londoner Agentur antwortet nicht auf Schönschriftbriefe, ein wildfremder Kanadier aus dem Internet antwortet auch nicht, Faxe und E-Mails laufen ins Leere. Die Redakteurin lernt im Laufe ihrer Recherchen einen Volleyballmanager kennen und wird Volleyballfan (Die Wahrheit berichtete am 22. 1. 2005).

„Das gibt es doch nicht“, dachte ich immer und immer wieder. Ich zerbrach mir den Kopf: Hatte ich denn wirklich jede Möglichkeit wahrgenommen? Hatte ich nicht vielleicht irgendetwas vergessen? Und dann – dann plötzlich fiel es mir ein! Achim Exner, der freundliche Volleyballmanager, hatte mir noch eine Handynummer mit auf den Weg zum Erfolg gegeben, die Nummer eines gewissen Jürgen Labenski. Der sei mit Herrn Lee befreundet, so hatte er gesagt, und ich dürfe ihn ruhig anrufen.

Der freundliche Herr Labenski verstand mein Problem sofort, und über ein paar Umwege bekam ich plötzlich einen Interviewtermin mit Herrn Lee am 21. Februar 2005 in Nürnberg. Hurra! Dann war erst mal Ruhe. Bis zum 21. Februar hatte ich ja noch genug Zeit, Herrn Lees Autobiografie zu Ende zu lesen, in den Waschsalon und zum Haareschneiden zu gehen, und mich auch sonst gründlich vorzubereiten.

Am vergangenen Sonntag ließ ich mich gerade gemächlich in den späten Nachmittag hineingleiten, als plötzlich mein Telefon klingelte. Herr Labenski war dran! Herr Lee sei gerade wegen der „Cinema for peace“-Gala im Rahmen der Berlinale in Berlin, sagte er, und ich solle ihn noch heute im Hotel Adlon anrufen, womöglich bekäme ich dann schon am nächsten Vormittag ein Interview … – Wie bitte?!

Ich bekam hektische Flecken und Schweißausbrüche, zitternd wählte ich das Hotel Adlon an und wurde gleich zu Christopher Lee durchgestellt. Und sofort versagten mein Englisch und meine Stimmbänder, als Herr Lee sich tatsächlich meldete. Ich stammelte sehr wirres Zeug, Herr Lee verstand mich auch nicht gleich, aber wie durch ein Wunder kam dennoch eine Verabredung für den nächsten Vormittag in der „Bel Etage“ des Luxushotels Adlon zustande.

Von der Panik, die mich plötzlich ergriff, will ich lieber nicht berichten, nur so viel: Ich hatte nichts Ordentliches anzuziehen, ich war völlig unvorbereitet und ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich mich in diese Situation gebracht hatte. Christopher Lee treffen, der mein Lieblingsschauspieler ist, seit ich denken kann, den ich hunderte Male im Kino und im Fernsehen bewundert hatte – das war doch Wahnsinn! Eilig zusammengetrommelte Freunde stärkten mir das Selbstbewusstsein und versprachen mir, dass alles ganz wunderbar werden würde.

Zitternd vor Aufregung stand ich am nächsten Mittag am Geländer der „Bel Etage“ und schaute in die Lobby des Hotel Adlon hinab. Dort herrschte reges Treiben, aber hier oben war es ganz ruhig. Ich war hundertmal so nervös wie vor meiner schwersten Abiprüfung. „Gott, bitte mach, dass er mich versetzt“, flehte ich.

Die Fahrstuhltür schnurrte auf, gerade in dem Augenblick als ich hinsah. Christopher Lee trat heraus! Er stand plötzlich da, als wäre es das normalste der Welt. Wir gaben uns die Hände, wir setzten uns. Ich sagte ihm direkt am Anfang, wie furchtbar nervös ich war. Später erzählte Herr Lee mir, dass er, als er als Jugendlicher sein großes Idol für alle Zeiten, Conrad Veidt, einmal traf, dass er da so schrecklich nervös war, dass er kein einziges Wort sprechen konnte.

Ich hatte mir so viele Fragen aufgeschrieben, aber alle kamen mir völlig unangemessen vor. Ich konnte Sir Lee nicht einfach „zur Auflockerung“ fragen, was er von Charles und Camilla hält oder ob er einen angenehmen Aufenthalt habe. Ich saß einfach da und guckte ihn an. Nach einer Weile fing er von selbst an zu erzählen, und nach zehn Minuten war meine Nervosität fast verschwunden, und ich traute mich auch, selbst etwas zu sagen oder zu fragen. Dafür war ich ja eigentlich hier. Jedes Mal, wenn ich doch einen Aussetzer hatte, half mir Herr Lee elegant darüber hinweg – er war großartig, charmant und unfassbar freundlich. Er zitierte lachend Wagners Alberich: „Garstig glatter glitschiger Glimmer! Wie gleit’ ich aus! Mit Händen und Füßen nicht fasse noch halt’ ich das schlecke Geschlüpfer!“

Leider vergaß ich zu fragen, wie es zu der lustigen Zusammenarbeit mit Frank Zappa für den Märchenfilm „The boy who left home to find out about the shivers“ kam, in dem Herr Lee einen bösen Zauberer spielt und Frank Zappa dessen stummen und buckligen Diener – das wäre meine Hauptfrage gewesen. Aber er erzählte so spannend, dass ich nur zuhören konnte.

Christopher Lee ist ein vollendeter Gentleman und ein durch und durch angenehmer Mensch. Es war ein wunderschönes Treffen, und ich bin froh, dass ich ihn endlich kennen gelernt habe.

CORINNA STEGEMANN

Das Wahrheit-Interview mit Christopher Lee wird am 27. Mai zum 83. Geburtstag des Schauspielers erscheinen.