: Hab dich! Versteh dich!
Prunksters (19) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Francis, der reisende Irokese
In allen Bildern ein fremder Planet, so ist Los Angeles. Da ist dieses kleine Mädchen, fünf vielleicht, strohblonde Haare. Einzige Farbe im schneeweißen Gesicht ist das Tiefrot der Lippen. In der Hand Gin Tonic mit rosa Röhrchen, geborgt von der Mutter (die dreht sich gerade um ein älteres Ehepaar in weißen Donatella-Anzügen). Die vernachlässigte Ballerina wechselt ihre blau-silber-metallic glänzende Sonnenbrille gegen ein Modell mit 3-D-Gläsern und starrt gebannt auf die gewaltige Videowand, über die psychedelische Farben laufen.
„Verloren geborgen in sich, sie versteht das perfekt“, sagt Francis, mein Begleiter, der für „L. A. Models“ die Dollars eintreibt. Im Grund sind wir bei einer Ausstellungseröffnung. „Visual Music“ im Atrium des Museums für zeitgenössische Kunst. Ein japanischer DJ komponiert ambient klingende Musik. Tausende drehen sich umeinander, sprechen miteinander, küssen sich. Eine Bar in der Mitte schenkt Feuerwasser aus. Hinter der Bühne ragen die Hochhäuser von Downtown in den Himmel. Über allem leuchten Sterne am nie dunkel werdenden Himmel. Tatsächlich stehen wir auf einer eleganten Schaubühne. Alle sind Meister in der Kunst der Kommunikation, kennen die Regeln der Anziehungskräfte. Das populärste Wort: „Gotcha“. Heißt: Hab dich, versteh dich.
Jedes Treffen beginnt mit Euphorie. Küssen. Gleitet in freundliche, interessante Sätze. Ist schon vorbei mit einer klugen Entschuldigung – in seiner Perfektion faszinierend. In den Untergrund gebaut sind riesige weiße Museumsräume, gefüllt mit Videokunst. Weitere tausende hier, im „Dandy Darkroom“. Francis und ich stehen vor „SWELL“. Alle Farben gleiten in Flecken. Es ist, als explodiere das Universum. Die Sinne spielen Synästhesie. Schweren Damen in Gold geht es ähnlich. Eine schreit in ihr „Blackberry“, den allgegenwärtigen Hummer unter den Mobiltelefonen: „Es ist wie auf Meskalin!“
„Texas“, meint Francis, der übrigens den zartesten Iro dieses Planeten auf dem Kopf trägt. Seit letzter Woche gekürzt auf zweieinhalb Zentimeter. „Meine Großmutter ist gestorben.“
Er trägt die Frisur „Mohawk“, seit er ein kleiner Junge ist, in immer neuen Variationen. Tim aus „Tim und Struppi“ war sein Vorbild: „Reporter und Weltreisender“. Haare spiegeln die Seele. Oben liegt das Ballerina-Mädchen unter einem Stehtisch. Über den Augen den Schutz ihrer Sonnenbrille. prunksters@taz.de