: Zwei Chefs, zwei Trassen
Die Anbindung der Bremerhavener Containerterminals verläuft quer durch die Stadt: über die Cherbourger Straße. Der Bremer Bürgermeister hat über ihren Ausbau in Berlin verhandelt – wie sein Bremerhavener Kollege, der jedoch ganz andere Ideen hat
Bremerhaven taz ■ Was genau Bremens Bürgermeister Henning Scherf mit dem Bundeskanzler und dem Verkehrsminister an jenem denkwürdigen Kanzlerbrief-Verhandlungsabend im Januar in Berlin ausgemacht hat, weiß niemand so genau. Irgendwie muss es auch um den Ausbau der Cherbourger Straße in Bremerhaven gegangen sein. In der „gemeinsamen Erklärung“ von Bundeskanzler und Bürgermeister kommt das zwar nicht vor, in dem Anschreiben Scherfs an den Bundeskanzler schreibt Scherf allerdings, es sei „einvernehmlich bestätigt“ worden, „dass die Bundesregierung im Bundesverkehrswegeplan eine anteilige Bundesfinanzierung für die Cherbourger Straße übernehmen wird.“
Bremerhavens Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) war einen Tag nach Scherfs Kanzlergespräch in Berlin bei den Fachleuten des Bundesverkehrsministeriums – ohne zu wissen, was Scherf am Vortag beredet hatte, wie Schulz selbst sagt. Aber Schulz hatte dasselbe Thema: die Möglichkeiten des Bundes, die Cherbourger Straße zu einer Bundesstraße zu machen und damit in die Finanzierung durch den Bund hineinzunehmen. Von 50 Millionen Euro aus Berlin sei die Rede gewesen, munkelt man in Bremerhaven. Offiziell wird das weder dementiert noch bestätigt. Aber der SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer hat jüngst in Wulsdorf eine ähnliche Zahl genannt: Nicht nur die vom Senat in Aussicht gestellten 60 Millionen Euro könne die Verkehrsverbindung kosten, sondern mit der Bundeshilfe um die 100 Millionen Euro.
Die Zahlenspiele haben einen kommunalpolitisch wesentlichen Hintergrund. Als im Jahre 2002 die Anbindung des geplanten Containerterminals CT IV beraten wurde, gab es zwei Varianten: Es könnte die bestehende Cherbourger Straße ausgebaut werden, die derzeit eine Gemeindestraße ist und für die Anwohner schon unerträglichen Verkehrslärm bedeutet. Oder man könne eine neue Straße bauen, die so genannte Nord-Variante, die in der Nähe der Gemeinde Langen durch den Landkreis Cuxhaven führen würde. Die Nordvariante lehnt die Bremerhavener Kommunalpolitik strikt ab, weil sie der Gemeinde Langen die Chance eröffnen würde, entlang der Schnellstraße Gewerbe anzusieden – direkt vor den Toren Bremerhavens. Aus demselben Grund könnte man sich in Langen diese Zufahrtsstraße für das CT IV durchaus vorstellen.
Wenn die Lkw aber durch die Cherbourger Straße Richtung A 27 brummen sollen – und der Lkw-Verkehr soll sich nach den Prognosen bis zum Jahre 2025 vervierfachen – dann stellt sich die Frage, wie man die Anwohner schützen kann. „Ich fahre die Cherbourger Straße mehrfach jeden Tag“, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament, Ulf Eversberg. Die Staus seien derzeit für Autofahrer noch nicht unzumutbar, der Lärm für die Anwohner wohl. Wenn die Straße ausgebaut werde, dann dürfe die Lärmbelastung nicht zunehmen.
2002 war daher ein Tunnel unter den neuralgischen Kreuzungspunkten hindurch im Gespräch, Kostenpunkt circa 113 Millionen Euro. Das war dem Bremer Senat zu teuer, zumal die Verkehrsbelastung noch nicht so hoch war wie heute. Ein „Trog“, der an dem Verkehrsknotenpunkt der Kreuzung Langener Straße Entlastung brächte, würde nur gut die Hälfte kosten – das reicht, beschloss der Senat im März 2003.
So steht heute die Bremerhavener CDU treu zu dem Trog, „Bödecker-Trog“ nennt ihn der Volksmund nach dem CDU-Fraktionsvorsitzenden. „Es macht doch keinen Sinn, 50 Millionen zu verbuddeln und nach zehn Jahren festzustellen, das reicht nicht“, setzt SPD-Oberbürgermeister Jörg Schulz dagegen. Ansonsten hält er sich bedeckt: „Ich suche keine Auseinandersetzung mit dem Senat.“ In Berlin habe er „als Oberbürgermeister verhandelt“, unabhängig von Scherf. Er suche eine „Alternative zu Tunnel und Trog, die auch finanzierbar ist.“ Mehr will er nicht sagen.
Was die Alternative sein könnte, liegt auf der Hand: Im Bremerhavener Stadtplanungsamt wird gerade an einem Modell „Trog mit Deckel“ gebastelt. Eine Trog-Lösung, die über einzelne Streckenabschnitte mit einem Deckel geschlossen werden kann und somit die Lärmbelastung für die Anwohner reduziert. Wenn der Bund da mit 50 Millionen Euro helfen würde, könnten die vom Land in Aussicht gestellten 50 Millionen reichen. Die Sache hat nur einen Haken: Als Henning Scherf in Bremen stolz berichtete, der Bund würde mit – über den Daumen geschätzt – rund 200 Millionen Euro die Bremer Investitionsausgaben entlasten, hatte er daran gedacht, dass Bremen Gelder in dieser Höhe dann nicht ausgeben müsse. In der Rechnung des Bremerhavener OBs muss das Geld vom Bund zusätzlich zu dem in Bremen bisher eingeplanten fließen. Kein Wunder, dass Scherf und Schulz getrennt verhandelt haben. Klaus Wolschner