: ZUG-UMZUG
VON HARTMUT EL KURDI
Ein Umzug ist eine schöne Gelegenheit, Tabula rasa zu machen. Vor allem, wenn man die Stadt dabei wechselt. Mein Traum ist es, bei einem Entrümpler, einem Fachmann für Haushaltsauflösungen anzurufen und zu behaupten, ich sei tot oder würde nächsten Dienstag in eine geschlossene Anstalt eingewiesen, und er soll bitte meine Wohnung komplett ausräumen. Anschließend würde ich nur mit den Klamotten, die ich am Leib trage, meinem Personalausweis und meiner Bankkarte in der Hosentasche einen ICE besteigen, im Speisewagen fünf Nürnberger Rostbratwürstchen zu mir nehmen, ein bisschen aus dem Fenster kucken, an meinem neuen Wohnort aussteigen, per ÖPNV zu meiner neuen Wohnung fahren und fertig: Das wäre dann mein Umzug gewesen!
Die neue Wohnung würde ich dann aus dem Erlös der Wohnungsauflösung und den gesparten Umzugskosten bescheiden neu einrichten. Was braucht man schon wirklich? Ein Bett, einen Schrank, einen Schreibtisch, in der Heuschnupfenzeit ein Nasenspülgerät … Dann wäre ich endlich den ganzen alten Kram los und hätte mehr Platz zum rumwohnen und für meine Rückengymnastik.
Aber leider hält meine Familie nichts davon, bei unserem nun anstehen Umzug so zu tun, als müssten wir nachts mit nur einem Köfferchen per Heißluftballon über die innerdeutsche Grenze fliehen. Deswegen werde ich den Mist wohl doch erledigen müssen: aussortieren, Sperrmüll bestellen und dann packen, Kisten packen, viele, viele Kisten packen!
Eins habe ich aber schon klar gestellt: Renoviert wird in der neuen Wohnung nicht. Zumindest nicht in meinem Zimmer. Das ist nämlich okay, mehr oder weniger weiß gestrichen. Da wo‘s weniger weiß ist, kommt mein Johnny-Cash-Poster hin. Fußböden werden auch nicht abgeschliffen, das möchte der Vermieter nicht, was mir sehr entgegen kommt. Erstens bin ich kein Lehrer oder Werbetexter, und zweitens wurde in den letzten zwei Jahrzehnten der Teppichboden sehr unterschätzt. Egal, was drunter ist: vermoderte rostrot gestrichene Holzdielen, Linoleum, Waschbeton, Nagetiere – Teppichboden drauf und Ruhe ist. Im wahrsten Sinne des Wortes: Nichts ist angenehmer, als wenn der Obermieter auf Socken über seinen Teppichboden tanzt. Und warm ist es auch noch.
Überhaupt wird ums Einrichten und Wohnen viel zu viel Trara gemacht. Wie ums Kochen. Selbstverständlich ist es schön, in einer angenehmen Atmosphäre zu leben und leckere Dinge zu essen – aber diese beiden Lebensqualitätsmerkmale sind viel leichter herzustellen als die Lifestyle-Deppen uns ständig wahrmachen wollen. Beim Kochen geht es vor allem darum, ein paar Grundkenntnisse zu erlernen und ansonsten qualitätsbewusst einzukaufen; beim Wohnen muss man bei der Auswahl des Umfelds (nicht zu viele Kampfhunde, nicht zu viele Eso-Buchläden) wählerisch sein, den Rest kriegt man mit ein bisschen Stilgefühl und einem funktionierenden Staubsauger schon hin. Und wie gesagt: Ein Johnny-Cash-Poster kann auch nicht schaden.