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Archiv-Artikel

Lehrer qualmen vor Wut

Hauptpersonalrat will gegen das Rauchverbot an Schulen klagen, da er sich vom Senat übergangen fühlt. Kritik auch aus der Praxis: LehrerInnen und SchülerInnen qualmen nun vor dem Schulgebäude

VON ANNE BECKERUND PATRICK BAUER

Zum rauchen gehen die LehrerInnen inzwischen in den Keller. Seit Anfang 2004 hat die Robert-Koch-Oberschule in Kreuzberg den Nikotinkonsum auf dem Schulgelände untersagt. „Durch eine Revolution des Nichtraucherkollegiums“, sagt Schulleiter Rainer Völkel, fiel damals auch die letzte Bastion des blauen Dunstes, das Raucherlehrerzimmer. Doch so leicht ließen sich die nikotinabhängigen PädagogInnen das Rauchen während der Arbeitszeit nicht nehmen: Ein Kellerraum wurde zu ihrem Refugium. Denn genau genommen gehört dieser nicht mehr zum Schulgelände. Die untergetauchten Qualmer sind so aus dem Blickfeld der SchülerInnen entschwunden – ganz im Sinne des Schulleiters. Ihm ging es mit dem Anti-Raucher-Erlass „in erster Linie um deren Vorbildfunktion“.

Ein halbes Jahr nach der Robert-Koch-Oberschule verhängte auch Bildungssenator Klaus Böger (SPD) per Rundschreiben ein sofortiges Rauchverbot an allen Schulen. Im neuen Schulgesetz, das ab Spätsommer gelten soll, wird das Rauchverbot fest verankert sein, sagte Bögers Sprecher Kenneth Frisse.

Doch nun will der Hauptpersonalrat (HPR), die Dachorganisation aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Bögers Erlass anfechten. Noch in dieser Woche soll die Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Eine Klage für das Recht zu rauchen? „Nein“, sagt Ingeborg Uesseler-Gothow vom HPR, „es geht uns nicht um den Inhalt des Erlasses.“ Vielmehr fühlt sich die Arbeitnehmervertretung in ihrem Recht auf Mitbestimmung vom Senat übergangen. „Nach langem Bitten wurde uns damals das Rundschreiben vorgelegt, allerdings formell hochgradig unverständlich. Da eine vernünftige Kommunikation hier offenbar sehr schwierig ist, wollen wir den Sachverhalt nun endgültig klären“, so Uesseler-Gothow.

Kenneth Frisse zeigt sich angesichts der drohenden Klage gelassen: „Wir kennen die Klage noch nicht, unsere Position ist aber unverändert.“ Laut Frisse habe sich das Rauchverbot bewährt: „Nach anfänglichen Unruhen haben wir jetzt den Eindruck, dass die Schulen gelernt haben, damit zu leben.“

Der Hauptpersonalrat kritisiert nun genau diese Weisungspolitik des Senats. „Das Thema sollte individuell in den Schulen diskutiert werden“, sagt Ingeborg Uesseler-Gothow. Das findet auch Barbara Henke. Die Lehrerin am Hermann-Hesse-Gymnasium in Kreuzberg, eine starke Raucherin, befürwortet die Klage gegen den Rauchererlass. „Ein Diskussionsprozess wäre sinnvoller gewesen – und ein Plätzchen auf dem Schulhof, wo man noch rauchen kann.“ Stattdessen steht sie nun während der großen Pausen in einem qualmenden Pulk von Schülern und Lehrkräften vor dem Haupteingang. Eine Neuntklässlerin klagt: „Man muss sich immer durch die rauchende Menge durchschlängeln.“ Uesseler-Gothow stellt wegen solcher Beispiele die pädagogische Wirksamkeit des Verbots in Frage.

Und: Das Pochen auf Mitbestimmung ist für den Hauptpersonalrat offenbar doch nicht der einzige Klagegrund. Uesseler-Gothow berichtet von Lehrern, die sich durch die Anti-Raucher-Maßnahmen „entwürdigt“ fühlten. Für „ganz Hartnäckige“ hätte es deshalb ja vielleicht noch eine kleine Raucherecke auf dem Hof sein dürfen. Wobei ganz Hartnäckige zum Rauchen auch in den Keller gehen.