Bundeswehr wird bei Kundus verstärkt angegriffen

AFGHANISTAN-EINSATZ Die Region um Kundus ist das gefährlichste Einsatzgebiet deutscher Soldaten

BERLIN taz/dpa/rtr/ap | Im nordafghanischen Kundus sind drei Bundeswehrsoldaten bei oder kurz nach einem Gefecht mit mutmaßlichen Taliban getötet worden. Ersteres sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Dienstag bei einer Veranstaltung in Laboe bei Kiel. Die Soldaten seien bei einer Operation mit afghanischen Sicherheitskräften außerhalb der Provinzhauptstadt Kundus unterwegs gewesen, als sie gegen 9.30 Uhr deutscher Zeit angegriffen wurden. Sie erwiderten das Feuer und forderten Unterstützung an. Bei einem Ausweichmanöver mit ihrem Transportpanzer sei dieser in einen Wassergraben gestürzt. Zwei Soldaten waren sofort tot, ein weiterer erlag später seinen Verletzungen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

Nach Angaben des Sprechers der Nato-geführten Schutztruppe Isaf, Richard Blanchette, starben die Soldaten hingegen bei einem Verkehrsunfall. Ein Nato-Sprecher sagte der Agentur AP, der Unfall sei beim Rückweg von dem Gefecht geschehen.

Das Lager der Bundeswehr, die seit 2003 in Kundus ein so genanntes regionales Wiederaufbauteam (PRT) hat, wird immer wieder von Taliban angegriffen. Zuletzt gingen diese dazu über, deutsche Patrouillen direkt anzugreifen, statt das zur Zeit 1.100 Soldaten zählende Lager mit ihren zielungenauen Raketen zu beschießen. Zuletzt starb Ende April ein Bundeswehrsoldat in einem Hinterhalt.

In jüngster Zeit stieg die Zahl der Angriffe auf die Bundeswehr in Kundus stark. Von den 34 Attacken mit Beschuss oder Sprengfallen in diesem Jahr ereigneten sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums von Anfang Juni allein 30 in Kundus. Anders als in den übrigen Einsatzgebieten der Bundeswehr in Nordafghanistan leben in Kundus viele Paschtunen. Aus dieser Volksgruppe rekrutieren sich die islamistischen Taliban.

Ein Grund für die vermehrten Angriffe auf die Bundeswehr dürfte neben einem generellen Erstarken der Taliban und ihrer Verbündeten im letzten Jahr eine Offensive der US-Truppen im Süden und Osten des Landes sein. Dies lässt die Taliban in den Norden ausweichen. Dort geht die Bundeswehr in letzter Zeit auch selbst aggressiver vor, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Für verstärkte Angriffe dürfte aus Taliban-Sicht auch sprechen, dass die Deutschen mit steigenden Verlusten unter ihren Soldaten deren Einsatz noch stärker als bisher in Frage stellen könnten. Auch dürften die Taliban-Strategen wissen, dass im September Bundestagswahlen sind.

Mit dem jüngsten Vorfall starben 35 deutsche Soldaten beim Einsatz am Hindukusch, 16 von ihnen wurden laut Bundeswehr Opfer von Anschlägen und Gefechten. Seit Januar 2002 ist Deutschland an der Nato-geführten Isaf-Truppe mit einer zurzeit gültigen Mandatsobergrenze von 4.500 Soldaten beteiligt.

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, nahm den Tod der drei Soldaten zum Anlass, erneut einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu fordern. SVEN HANSEN