: Der Umzieher und seine Verhältnisse
Frankreichs Finanzminister Gaymard leistete sich auf Staatskosten eine Luxuswohnung. Damit ist es jetzt vorbei
Bis zum 16. Februar hatte Hervé Gaymard eine gute Zukunft. Der erst Ende November vom Landwirtschafts- in das Finanzministerium versetzte 44-Jährige aus der französischen Provinz stand in dem Ruf, „bescheiden“, „ehrlich“ und „basisnah“ zu sein. Er repräsentierte damit jenes „Frankreich von unten“, das Regierungschef Jean-Pierre Raffarin zu vertreten vorgibt. Als zusätzlichen Bonus brachte der Nachfolger des großmäuligen Nicolas Sarkozy eine vertrauensvolle Beziehung zu Staatspräsident Jacques Chirac mit.
Eine Woche danach war Gaymard gestern offiziell noch Finanzminister, doch sein Ruf ist ruiniert, seit das Wochenblatt Canard Enchaîné genüsslich Details über das „Duplex“ im 8. Pariser Arrondissement ausgebreitet hat, in das er mit Gattin Clara und acht Kindern gerade eingezogen war. Schon die 600 Quadratmeter große Grundfläche der zweistöckigen Wohnung überraschte. Noch aufregender war die Monatsmiete von 14.400 Euro – sie entspricht der Besoldung von elf Beamten der „Catégorie C“, der verbreitetsten Soldklasse im öffentlichen Dienst. Empörend auch, dass der Staat die kompletten Kosten für die Luxusunterkunft zahlt.
Als Finanzminister ist Gaymard der oberste Sparkommissar. Derjenige, der darüber wachen soll, dass Frankreich irgendwann unter die Grenze des EU-einheitlichen Haushaltsdefizits von drei Prozent gelangt. Die tiefsten Einschnitte will er im öffentlichen Dienst machen. Dort sollen allein in diesem Jahr 7.200 Stellen verschwinden. Eines von Gaymards Lieblingsargumenten lautet: „Man kann nicht ständig über seine Verhältnisse leben.“
Seit er erwischt wurde, hat Gaymard seinen Fall verschlimmert. Zwei Tage nach der Enthüllung erklärte er: „Ich ziehe um.“ Da hatte der Premierminister bereits einen Sonder-Ukas veröffentlicht, wonach ein Minister nur 80 Quadratmeter für sich und seine Gattin plus 20 zusätzliche Quadratmeter pro Kind auf Staatskosten in Anspruch nehmen darf. Zu seiner Ehrenrettung behauptete Gaymard, dass er die Wohnungsmiete nicht gekannt habe und dass Mitarbeiter die Wohnung organisiert hätten, weil er „wegen 120 Stunden Wochenarbeitszeit“ keine Zeit dafür habe. Auch verheimlichte er, dass er selbst eine 200 Quadratmeter große Wohnung im ebenfalls hübschen Pariser Quartier Latin besitzt und – vermietet.
Eine Woche danach hat der Canard Enchaîné jetzt den Minister als Lügner enttarnt. Wieder trat Gaymard in die Bütt und erklärte, er werde sämtliche Kosten inklusive der 32.000 Euro teuren Umbauten in dem Duplex an den Staat zurückerstatten.
Das war eine späte Reue. Die Franzosen wissen jetzt, was für ein windiger Typ in Paris ihre Finanzen verwaltet. Dem Staatschef wird der Satz nachgesagt: „Das kostet uns mindestens zwei Prozentpunkte bei dem Referendum.“ Jacques Chirac weiß, wovon er redet. In seinem politischen Umfeld und in seiner eigenen Familie hat es schon viele folgenschwere Wohnungsaffären gegeben. DOROTHEA HAHN