: Wirtschaft fürchtet Klagen der Beschäftigten
Das von Rot-Grün geplante Antidiskriminierungsgesetz sorgt für Unmut in den Reihen der Arbeitgeber. Die sehen Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen und werfen der Koalition Übererfüllung der EU-Richtlinien vor
BERLIN taz ■ Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist von dem rot-grünen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz überhaupt nicht begeistert. „Der Entwurf ist hochkompliziert, geht weit über die EU-Richtlinien hinaus, fördert die Bürokratie und verursacht hohe Kosten“, sagte Hundt gestern auf einem Symposium des Arbeitgeberverbandes in Berlin. Durch eine Vielzahl von Regelungen und ungenauen Formulierungen lade das Gesetz zum Missbrauch ein. In der vorliegenden Form schaffe es Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen.
Der Arbeitgeberpräsident sieht vor allem mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung gefährdet. Das Gesetz könnte ganz schnell zur großen Abzocke werden. „Wir brauchen keine Beschäftigungsprogramme für Rechtsanwälte“, sagte Hundt. Er fürchtet eine massive Einschränkung der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht. Entscheidender Kritikpunkt des Arbeitgeberpräsidenten ist die Umkehr der Beweislast. So könnte beispielsweise eine Frau klagen und behaupten, sie sei wegen ihres Geschlechts und nicht wegen ihrer mangelhaften Leistung von ihrem Arbeitgeber entlassen worden. Im Prozess muss der Arbeitgeber nach dem Gesetzentwurf das Gegenteil beweisen.
„Der Entwurf ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht“, sagte Hundt. Deutschland schieße mit dem Antidiskriminierungsgesetz über das Ziel hinaus und setze die unselige Tradition der Überfüllung europäischer Richtlinien fort. Hundt forderte die Regierung auf, ausschließlich die EU-Richtlinien umzusetzen.
„Der Widerstand des Arbeitgeberverbandes gegen das Antidiskriminierungsgesetz droht das Ansehen der deutschen Wirtschaft im Ausland zu beschädigen“, sagte daraufhin die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Hundts Forderungen würden beispielsweise Behinderte und Homosexuelle vom gesetzlichen Diskriminierungsschutz ausschließen. Bei den vorgesehen Regelungen im Arbeitsrecht würde es sich um Anforderungen der EU handeln. „Nur an einem Punkt gehen wir über die Vorgaben hinaus: Um eine stimmige Regelung zu erreichen, beziehen wir neben der ethnischen Herkunft und dem Geschlecht auch die Benachteiligungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Identität oder einer Behinderung im Zivilrecht mit ein“, sagte Schewe-Gerigk.
Bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes vor gut einem Monat haben Regierungskoalition und Opposition im Bundestag darüber gestritten, wie sich Diskriminierung verhindern und bekämpfen lässt. Union und FDP warfen der Regierung vor, ein „bürokratisches Monster“ zu schaffen. PHILIPP DUDEK