: Vier Rollen für die Spielernummer 13
SPRACHAKROBATIK In der Galerie am Neuköllner Körnerpark ist eine Videoinstallation des Künstlerkollektivs „Bewegung Nurr“ zu sehen
Es ist Nachmittag bei Abel. Fast hätte ich die Galerie übersehen. Zum Glück ruft der Galerist gerade an und fragt, wo ich bleibe. Da steh ich schon vor der Tür, deren Schild ich übersehen hatte. Robert Sokol und Christine Weber von der 1989 gegründeten Künstlerkollektiv-Bewegung Nurr sind auch schon da und beantworten Fragen. In ihrer Videoinstallation „Robert Kovacic in Hasenheide“ geht es ums Drogenverkaufen in dem berühmten Neuköllner Volkspark; um Streitgespräche zwischen den dort handelnden Migranten meist.
Der kroatischstämmige Robert Kovacic spielt in dem Video, das im Rahmen von „48 Stunden Neukölln“ ab Freitagabend in der Galerie im Körnerpark zu sehen sein wird, im immer gleichen blauen Trainingsanzug mit der Spielernummer 13 gleich vier Personen: Mahmoud, der in der Hasenheide Gras kaufen möchte, Jimmy, einen Dealer, Murat, einen Freund von Jimmy, sowie den Polizeibeamten Manfred Panitzke. Die Spielernummer 13 trug übrigens auch immer Gerd Müller, Mittelstürmer der deutschen Nationalmannschaft der 70er-Jahre.
Mahmoud gerät mit Jimmy in Streit. Er hält dessen Preise für überzogen. Murat taucht auf, um Jimmy vor dem immer aggressiver werdenden Mahmoud zu schützen. Eine größere Schlägerei deutet sich an. Am Ende kommt Polizeihauptkommissar Manfred Panitzke, beschimpft die Akteure auf eine gemütlich rassistische Art und nimmt alle fest: „Ab in die Wanne!“ Robert Kovacic agiert vor einem weißen Hintergrund; erst allein, dann zu zweit, dann zu dritt neben sich stehend auf der so geteilten Leinwand. Manchmal erinnert Robert Kovacic in der Darstellung der migrantischen Jugendlichen an den „Tiger von Kreuzberg“, dessen Videos seit zwei, drei Jahren im Internet für Furore sorgen. Wie der Kreuzber- ger Tiger, so träumte übrigens auch der Neuköllner Kovacic einst davon, Fußballprofi zu werden. Im Unterschied zu Tiger spielt Kovacic allerdings mehrere Rollen. Besonders großartig ist der Beginn; wenn er als Drogendealer im imaginären Raum pfeift und ruft „gumma, gumma“ und später die Qualität seines Stoffs anpreist: „Nach eine Joint ist Kopf kaputt, Mann!“ Der kurze Film, der in den Räumen der Hasenheide-nahen Galerie am Körnerpark auf unterschiedliche Weise an die Wände geworfen werden wird, beeindruckt durch den Sprachrhythmus des Parodisten.
Die Künstler hatten den Sound der Hasenheide eine Weile recherchiert. Anfangs war der arabisch- bzw. türkischdeutsche Sprachgesang von Kovacic teils auch sinnfrei; später hätte man alles mit arabisch- bzw. türkischsprechenden Freunden noch mal abgecheckt und wegen der Authentizität auch Probefassungen ins Netz gestellt, um sich gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Die Verfremdung, die auch dadurch entsteht, dass Kovacic als einzelner mehrere Leute spricht, die in der echten Hasenheide eigentlich immer in Gruppen auftauchen, ist ziemlich interessant. Logischerweise auch lustig. Wobei Kovacic vermeidet, das Komische, das im Sprachmaterial liegt, zu übertreiben. Interessant ist es auch, sich nach „Robert Kovacic Hasenheide“ andere Videos in Sachen Drogen und Hasenheide auf YouTube anzugucken; etwa die einer Initiative Neuköllner Mütter, die mit Unterstützung einer „Clownsoldatin“ wider das Angequatschtwerden performte. Problematischer als das Angequatschtwerden sind aber die Bandenkämpfe der in der Hasenheide Agierenden. Unter dem grünen Justizsenator Wolfgang Wieland hatte es vor acht Jahren noch Überlegungen gegeben, weiche Drogen an gewissen Orten zu legalisieren. Es wäre gut und vernünftig, solche Überlegungen wieder aufzunehmen. DETLEF KUHLBRODT
■ „Robert Kovacic in Hasenheide“. Galerie am Körnerpark, bis 28. Juni kultur-neukoelln.de/galkoern.html