: „Arbeiterwiderstand ist selten Thema“
ANTIFASCHISMUS Eine Ausstellung in der HU widmet sich dem Arbeiterwiderstand zwischen 1942 und 1945 und der Saefkow-Jakob-Bästlein-Organisation. Sie ist zu wenig bekannt, kritisiert Saefkows Stieftochter Edith Wahner
■ Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe war die größte kommunistische Widerstandsgruppe im Dritten Reich. Den Kern bildeten die ehemalige KPD-Reichstagsabgeordneten Franz Jacob und Bernhard Bästlein sowie der kommunistische Funktionär Anton Saefkow. Zu den rund 500 Aktivisten gehörten auch zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Knapp ein Viertel der Mitglieder der Widerstandsgruppe waren Frauen.
■ Angestrebt war der Aufbau einer strömungsübergreifenden, illegalen Widerstandsbewegung mit dem Ziel des Sturzes des NS-Regimes und der Beendigung des Krieges. Ab dem Jahr 1943 begann die Gruppe mit dem Aufbau illegaler Widerstandszellen in mehreren Berliner Großbetrieben. Auf zirkulierenden Flugschriften wurde die Sabotage der Rüstungsindustrie propagiert.
■ Daneben stellte die Gruppe Quartiere für Untergetauchte und Verfolgte bereit und half ZwangsarbeiterInnen. Zu den Aktivitäten gehörten außerdem Hilfsaktionen für in Berlin untergetauchte Jüdinnen und Juden.
■ Nachdem es der Gestapo gelungen war, mindestens einen Spitzel im Umfeld der Widerstandsorganisation zu platzieren, begannen im Juni 1944 die Verhaftungen. Bis zum Frühjahr 1945 wurden mehr als 300 Menschen festgenommen, mehr als 100 von ihnen wurden hingerichtet oder starben durch Folter im Gefängnis. NOWAK
INTERVIEW PETER NOWAK
taz: Frau Wahner, was haben Sie als Kind von den Aktivitäten Ihrer Eltern im Widerstand gegen die Nazis mitbekommen?
Edith Wahner: Ich war damals in der Pubertät, in meinem Elternhaus wurde offen über politische Themen gesprochen. Mir war bekannt, dass meine Eltern aktive Nazigegner waren. Mein Stiefvater hatte schon sechs Jahre als Kommunist und politischer Häftling im Gefängnis gesessen, als er meine Mutter, die auch Kommunistin war, heiratete.
Wie haben Sie die Verfolgung und Verhaftung Ihrer Eltern im Sommer 1944 erlebt?
Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Schwester wegen der Bombenangriffe im Berliner Umland. Dort hatte die Gestapo nach meinem Stiefvater gesucht. Weil er wusste, dass nach ihm gefahndet wird, war er untergetaucht. Ich habe ihn nach seiner Verhaftung nie wiedergesehen.
Und Ihre Mutter?
Mit meiner Mutter hatte ich vereinbart, dass sie mir nach ihrer Verhaftung ein Telegramm mit dem Satz: „Bin schwer erkrankt“ schickt. Ab Oktober 1944 besuchte ich sie wöchentlich und brachte ihr frische Wäsche. Nachdem sie im März 1945 in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht wurde, bekam ich kein Lebenszeichen mehr von ihr. Ich traf sie erst nach ihrer Befreiung im Mai wieder.
Sie waren als Stieftochter eines kommunistischen Widerstandskämpfers in der DDR eine prominente Person. Wurden Sie instrumentalisiert?
Nein, dieses Gerede kann ich nicht mehr hören. Ich habe als Lehrerin in der DDR intensiv über die Geschichte des antifaschistischen Widerstands geforscht. Auch nach meiner Pensionierung beteiligte ich mich regelmäßig an Veranstaltungen mit Jugendlichen in der FDJ-Schule. Die jungen Menschen hatten ein ehrliches Interesse an der Biografie meines Stiefvaters, als Teil der Geschichte des antifaschistischen Widerstands. Leider gibt es seit 1989 keine Organisation mehr, die solche Veranstaltungen mit Jugendlichen organisieren kann.
Aber heute gibt es doch noch viele Aktivitäten und Veranstaltungen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Sicherlich gibt es solche Veranstaltungen. Doch über den Arbeiterwiderstand wird im wiedervereinigten Deutschland kaum geredet. Deshalb habe ich in den letzten Jahren auch an offiziellen Gedenkveranstaltungen nicht mehr teilgenommen. Ich fühle mich dort als reine Staffage.
Warum?
Es wird dort so getan, als hätte es nur den Holocaust, den Aufstand des 20. Juli und einige Pfarrer gegeben, die sich gegen die Nazis auflehnten. Über Arbeiter, die schon Widerstand gegen die Nazis geleistet haben, als viele Männer des 20. Juli noch hinter Hitler standen, wird nicht informiert. Daher habe ich mich sehr gefreut, dass die Berliner Ausstellung zustande gekommen ist.
Was erwarten Sie davon?
Ich hoffe, dass vor allem junge Leute durch den Ausstellungsort angeregt werden, sich mit diesen vielen unbekannten Geschichten zu beschäftigen.
■ Die Ausstellung „Weg mit Hitler – Schluss mit dem Krieg“ ist bis zum 23. Juli (Mo. bis Fr. 10 bis 19 Uhr, Sa. 10 bis 14 Uhr) im Foyer der Kommode, Unter den Linden 11, der Humboldt-Universität zu sehen