: Spaßmachers altdeutsche Hoffnung
U 21 Obwohl die DFB-Junioren heute im EM-Halbfinale stehen, werden Zweifel an der Befähigung von Coach Horst Hrubesch laut
AUS GÖTEBORG RONALD RENG
Mit 58 mag Horst Hrubesch Pokale noch immer sehr gerne. Als sich sein Abwehrspieler Benedikt Höwedes vergangene Woche schon mit der ersten Trophäe der Deutschen bei der U21-Europameisterschaft in Schweden zum Juniorenbundestrainer an den Tisch setzte, rückte Hrubesch den Pokal für den besten Spieler der Vorrundenpartie gegen Finnland liebevoll ins Licht. Er schob ihn von Höwedes weg, bis er vor ihm selbst stand.
Horst Hrubesch, einst Fliesenleger mit Zementallergie, Kopfballungeheuer und Angelbuchautor, festigte seinen Ruf als Entertainer im Trainingslager zur WM 1982. Deutschlands damaliger Mittelstürmer wollte beim Frühstück mal die Küche testen: Er bestellte beim Kellner Spiegeleier; und als der Kellner die Eier brachte, orderte Hrubesch mit ernstem Gesicht sofort noch eine Portion, sobald diese kam, noch eine und so fort, bis bei der zirka 20. Bestellung Assistenztrainer Erich Ribbeck einschritt. Es gab nicht viele, die in Horst Hrubesch einen Trainer für Pokale sahen.
Die Wahrheit ist, dass die meisten Experten dachten, Hrubesch sei der Erste, der verabschiedet werde, als Matthias Sammer 2005 DFB-Sportdirektor wurde. Vier Jahre später sind alle Trainer ausgetauscht – bis auf Hrubesch. Sein handfester Umgang mit jungen Spielern findet Sammers Gefallen, und so war es bei der U19-EM vergangenes Jahr prompt Hrubesch, der nach 16 titellosen Jahren im Juniorenfußball dem DFB wieder einen Pokal brachte. An diesem Freitag (20.45 Uhr, ZDF) steht eine deutsche U21-Auswahl in Helsingborg gegen Italien zum ersten Mal seit 1982 wieder im EM-Halbfinale. Doch wider diese erschlagenden Fakten wird über Hrubeschs taktisches Geschick debattiert.
Die zunehmend schwerfälligen Auftritte der begabten Deutschen in Schweden werfen die Frage auf, ob Hrubeschs extravagante Idee, einen Sturm ohne Stürmer aufzubieten, die Elf nicht überfordert. Schon bei der U19-EM 2008 erhob sich aus dem Getuschel der Bundesligabeobachter der Schrei, „der hätte das fast vercoacht!“, als Hrubesch im Halbfinale gegen Tschechien zunächst den 1,68 Meter kleinen Deniz Naki als einsamen Vollstürmer aufbot. Wenn Leute des Fußballs tratschen, ist schnell der Trainer schuld. Hrubesch verdient bei dieser EM zumindest einen Aufschub des Urteils, denn immer wieder flackern Flachpasskombinationen auf, bei denen man erahnt: So könnte sein Plan funktionieren. Doch im großen Ganzen stockt der deutsche Spielaufbau bislang derart, dass die Frage herausschreit: Wäre es nicht besser gewesen, Mesut Özil in seiner gewohnten Rolle als Spielmacher einzusetzen, anstatt mit Werder Bremens Mittelfeldspieler im Sturm zu experimentieren?
Ein 4-2-3-1-Spielsystem mit Sandro Wagner als Stürmer sowie Marko Marin, Özil und Patrick Ebert als offensive Mittelfeldlinie dahinter hätte mehr den natürlichen Positionen der Spieler entsprochen. Hrubesch bevorzugt es, die besten elf Spieler aufzustellen. Dafür schickt er etliche auf ungewohntes Terrain, etwa neben Özil mit Ashkan Dejagah einen zweiten Mittelfeldmann in den Angriff. „Es macht keinen Sinn, jetzt hier im Turnier alles umzudrehen“, blockt Hrubesch Änderungen ab.
Eine Elf, die ihr System nur halbwegs beherrscht, kann auf U21-Niveau trotzdem ganz weit kommen, wenn die Spieler mit ihrer individuellen Qualität, enormer Arbeitsintensität und Teamgeist das Manko ausgleichen. Das ist ihre – fast schon altdeutsche – Hoffnung. Und das kann Horst Hrubesch ganz sicher: ein fruchtbares Arbeitsklima und ein Team schaffen. Mit seinem Entertainertalent gleicht er seine Fliesenlegerhärte aus. „Die Jahre trennen uns nicht“, sagt Verteidiger Andreas Beck. „Nicht selten macht der Trainer einen Spaß mit, er ist komplett scheufrei.“ Doch darauf kommt es heute Abend gewiss nicht an. Gegen Italien wird Horst Hrubesch gegen die wiedererwachten Zweifel kämpfen, ob er wirklich ein Trainer für Pokale ist.