: Australien schickt mehr Soldaten nach Irak
Von 400 Soldaten steigt das australische Truppenkontingent auf 950, um beim Schutz von Japanern abziehende Niederländer zu ersetzen. Die australische Öffentlichkeit reagiert mit Protest und wittert kommerzielle Interessen
MELBOURNE taz ■ In Australien wächst der Protest gegen die Ankündigung der Regierung vom Dienstag, die Zahl der in Irak stationierten Truppen drastisch zu erhöhen. Im Verlauf der kommenden Monate sollen 450 Armeeangehörige die 400 bisher in Irak eingesetzten Soldaten ergänzen. Etwa 500 weitere Wehrkräfte sind in anderen Teilen der Region im Einsatz, darunter 200 Matrosen auf einem Kriegsschiff im Persischen Golf.
Wie Premierminister John Howard erklärte, sei er von Tokio und London um die Unterstützung gebeten worden. Die neuen, mit leichten Panzern ausgerüsteten Soldaten würden mit dem Schutz japanischer Armeeingenieure betraut. Diese Aufgabe hatte bisher ein niederländisches Kontingent erfüllt, das nächsten Monat abgezogen wird.
„Skandalös“ nannte das gestern der ökumenische Nationale Kirchenrat Australiens und warf Howard den Bruch von Wahlversprechen vor. Medienberichten zufolge lehnte Australiens Außenminister Alexander Downer erst Ende Januar eine Anfrage Londons für eine Truppenverstärkung im Irak ab. Was zu Howards Gesinnungswandel führte, ist unklar. Der Präsident der Grünen, Bob Brown, warf dem Premier vor, mit Hilfe der Unterstützung japanischer Truppen „den Weg für einen Freihandelsvertrag mit Tokio bereiten“ zu wollen. Howard geht in Kürze zu Wirtschaftsgesprächen nach Japan. Kommentatoren zufolge hat der Einsatz Australiens in Irak maßgeblich dazu beigetragen, dass die Regierung in Canberra mit Washington einen soeben in Kraft getretenen Freihandelsvertag abschließen konnte.
Unbestritten ist, dass der Ministerpräsident eines seiner zentralen Wahlversprechen gebrochen hat. Noch sechs Tage vor den Parlamentswahlen im vergangenen Oktober hatte Howard versichert, „den Grad des Einsatzes, den wir dort haben“ nicht erhöhen zu wollen. Im April 2004 hatte Howard gesagt: „Ich kann definitiv sagen, dass wir nicht hunderte neue Soldaten einsetzen werden“. Das habe er schon lange klar gemacht.
Doch es gab auch Verständnis für den Regierungschef. Die Melbourner Tageszeitung The Age meinte, Howard habe keine andere Wahl gehabt, obwohl sein ursprünglicher Grund für die Beteiligung an der Invasion von Irak – die Suche nach Massenvernichtungswaffen – seither „diskreditiert“ worden sei. Inzwischen wären die australischen Truppen aber auf Einladung der irakischen Regierung im Land und seien mit der Ausbildung von Sicherheitstruppen beschäftigt, „die es den fremden Truppen ultimativ erlauben werden, sich ohne ein beschleunigendes Chaos zurückzuziehen“.
URS WÄLTERLIN