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Archiv-Artikel

„Strafe muss sein“

Seit gestern ist die Anti-Tabak-Konvention der WHO in Kraft. Und ab morgen ist auch in den Räumen dieser Zeitung das Rauchen komplett verboten. Ein Gespräch darüber, wie es jetzt weitergeht

INTERVIEW STEFAN KUZMANY

taz: Herr L., was bedeutet das In-Kraft-Treten der Anti-Tabak-Konvention für Sie ?

Herr L.: Eine große Erleichterung. Endlich wird mir auch von außen durch eine Konvention bescheinigt, dass ich mir Tag für Tag Böses antue. Ich muss jetzt nicht mehr nur mit meinem schlechten Gewissen kämpfen …

Schlechtes Gewissen?

… Seit meiner ersten Zigarette vor 32 Jahren. Es gab nur selten Momente, in denen ich hätte sagen können: Rauchen ist das Beste, das mir hätte passieren können, es lässt mich atmen.

Warum haben Sie nicht längst aufgehört?

Ich hatte es vor anderthalb Jahren ja siebeneinhalb Wochen geschafft. Es war in den Ferien. Aber als ich wieder zu Hause war, hat schon die erste Verführung zu einer Zigarette mich wieder mürbe gemacht.

Sie brauchen den strengen Vater Staat?

Das bereitet mir großen Kummer, aber das ist wohl so.

Sie wollen anonym bleiben – warum?

Ich möchte nicht als Verräter gelten, erstens. Und, zweitens, fühlte ich mich sonst an den Pranger gestellt, müsste ich mich offenbaren.

Sie rauchen schon wieder. Sie glauben doch selbst nicht, dass Sie aufhören werden.

Doch, fest. Ich erinnere mich noch an den Tag in diesem Sommer, als ich nicht rauchte. Ich war vollständig irritiert, dass mir dieser schöne Blick in die aufgehende Sonne so viel bedeuten könnte, ohne gleichzeitig schon drei geraucht zu haben. Das war ein kostbarer Moment. Ich möchte ihn wieder erleben.

Haben Sie schon eine Idee, wann Sie das Rauchen aufhören wollen?

Ja. Am Tag, nachdem dieses Gespräch erschienen ist.

Was macht Sie glauben, dass Sie dieses Mal durchhalten werden?

Ich habe keinen Glauben. Vier meiner Kollegen und ich wollen gemeinsam aufhören. Wer doch wieder anfängt, das ist unsere Verabredung, muss alle anderen zu einem monströs teuren Essen einladen und freihalten – und zwar in der Nichtraucherecke.

Rauchen und mit dem Rauchen aufzuhören scheint viel mit Selbstbestrafung und Zerstörung zu tun zu haben.

Ja. Das ist auch mein Gefühl. Aber Strafe muss sein.

An Ihrem Arbeitsplatz ist Ihnen das Rauchen untersagt.

Na gut. Heute ja noch nicht. Erst morgen. Ein bisschen fürchte ich diesen Tag. Aber es könnte so werden wie bei meinem ersten Transatlantikflug in einer Nichtrauchermaschine. Schockiert über die Zumutung, mich an diese Regel halten zu müssen, erschöpft, dass diese Zumutung nicht gelockert wurde und auch ein wenig stolz, es überlebt zu haben.

Sie sind süchtig?

Ja.

Kann ein autoritäres Verbot Sie von Ihrer Sucht heilen?

Ausgeschlossen. Meine Sucht ist nicht mehr zu heilen. Ich werde Nichtraucher werden und trotzdem süchtig bleiben. Auf eine gewisse Art bin ich untröstlich.