kommentar : Horror in der Parallelwelt
In Hamburg ist ein siebenjähriges Mädchen in der Wohnung seiner Eltern verhungert, ohne dass jemand es merkte. Wie konnte das passieren?
Es klingt wie eine Szene aus einem Horrorfilm: Die siebenjährige Jessica wog nur noch 9,5 Kilo und war bis auf die Knochen abgemagert, als die Polizei am Montagmorgen ihre Leiche fand. Die Eltern hatten das Mädchen in ihrem Zimmer eingesperrt und sogar die Fenster verschraubt, damit das Kind sie nicht stören oder Nachbarn um Hilfe rufen konnte.
Neben Entsetzen ruft der Fall vor allem Fassungslosigkeit hervor: Wie kann es sein, dass mitten in Deutschland ein Paar sein Kind verhungern lassen kann, ohne dass jemand es merkt? Nicht einmal die Nachbarn sollen gewusst haben, dass die beiden Eltern ein Kind hatten.
Der Fall im Hochhausviertel Jenfeld wirft ein Schlaglicht auf eine schleichende Entwicklung: Ganze Stadtviertel werden allmählich aufgegeben und fallen aus dem Blickfeld der Behörden heraus. Wenn das Schulamt ein ganzes Jahr lang lediglich drei Mahnungen vor der Haustüre ablegt, obwohl das Mädchen nicht eingeschult wurde, klingt das nicht nach besonderer Fürsorge.
Nicht nur in Ostdeutschland und in Migrantenvierteln, sondern auch mitten in einer Hochhaussiedlung einer westdeutschen Großstadt existieren Milieus, die sich vom Rest der Gesellschaft abgekoppelt haben. Bei 5,2 Millionen Arbeitslosen und der Tendenz des Staates, sich der Verantwortung für die Betroffenen zu entziehen, dürfte sich dieser Trend verstärken. Mit dem entsprechenden Horror. BAX