: Die Pflegeserie, die ihr Selbstbewusstsein strafft
Wenn es um die Figur geht, ist das Selbstbewusstsein der Frauen labil. „Dove“ will helfen und wirbt mit fülligeren Models. Nützt das was?
VON BARBARA DRIBBUSCH
Der Hippocampus: das kleine Areal im Hirn ist das größte Hindernis für alle PR-Strategen dieser Welt. Denn über den Hippocampus, „da muss jede Werbung erst mal rüber, und das wird immer schwieriger“, sagt Klaus Peter Nebel, Sprecher des Kosmetikkonzerns Beiersdorf. Dort, im Hippocampus, lauert nämlich der Wahrnehmungsfilter, der die meiste Werbung, leider, leider, von vornherein gar nicht mehr ins Bewusstsein vordringen lässt. Es sei denn, man versucht etwas Neues. Etwas, das Aufmerksamkeit erregt. „Und das“, räumt Nebel ein, „ist den Unilever-Leuten mit der Dove-Werbung durchaus gelungen“.
Nebel weiß, wovon er spricht. Denn der Beiersdorf-Konzern mit seinen Nivea-Cremes ist Konkurrent des zu Unilever gehörenden Unternehmens Lever Fabergé, das mit der Dove-Kosmetik den deutschen Markt zu erobern versucht. Auf Plakaten für Dove-Lotionen werben nicht schmale Elfen, sondern füllige Models mit durchschnittlich hübschen Gesichtern für eine neue, angeblich körperstraffende Lotion. „In der Kampagne wollten wir ganz normale Frauen zeigen“, betont Katja Praefke, Sprecherin von Lever Fabergé in Hamburg. Die jungen lachenden Frauen, die auf den Plakaten als „füllig“ erscheinen, repräsentieren nämlich nur die real existierenden durchschnittlichen Kleidergrößen in Deutschland – und die liegen zwischen 40 und 44. Die Normalo-Models wurden beim so genannten „street casting“ in Deutschland, Spanien, Frankreich und Großbritannien ausfindig gemacht.
Mit der neuen Werbeserie setzt Dove seine Kampagne vom Frühjahr vergangenen Jahres fort. Damals schon hatte der Konzern mit fülligeren Models geworben, im Herbst folgte dann eine Serie mit Frauen, die Narben, Tattoos oder Sommersprossen hatten, unter dem Motto: „Dove zeigt in seiner Werbe-Kampagne echte Frauen statt makelloser Stereotype“. Der Trend zum Realen zahlte sich aus. Die Umsätze der Körperlotions „sind erheblich gestiegen“, berichtet Praefke.
Die Masche mit den „realen Frauen“ ist nicht ganz neu: Der Kosmetikkonzern Body Shop erregte bereits vor sieben Jahren mit einer ähnlichen Kampagne Aufsehen. Damals warben in den deutschen Filialen lebensgroße Puppen mit Fettpölsterchen an Bauch und Hüften für ein neues Selbstbewusstsein der Milliarden von Nichtmodels dieser Welt. „Es gibt acht Supermodels auf der Welt. Und drei Milliarden Frauen, die nicht so aussehen“, hieß es dazu aufbauend im Werbetext.
Die Body-Shop-Kampagne ist längst vergessen, und füllige Models hin oder her – die Schönheitschirurgie boomt, Diätbücher erreichen nach wie vor Millionen-Auflagen, Essstörungen sind schon bei Teenagern weit verbreitet. Immer mehr Leute lassen sich Fett absaugen oder hungern, um einer ästhetischen Norm näher zu kommen. Wirbt ein Modedesigner mal für „Übergrößen“, dann treten Models mit der Durchschnitts-Kleidergröße 42 auf und das gilt schon als revolutionär. Dabei hatte beispielsweise auch Marilyn Monroe Größe 42. Sind Kampagnen wie die von „Dove“ also nur ein „schöner Schein von Selbstbewusstsein“, hinter dem dann doch wieder eifrig gehungert, geturnt und Fett abgesaugt wird ?
Die Antwort darauf ist nicht so einfach. Denn das Selbstbewusstsein vieler Frauen ist schwankend wie eine Windhose, wenn es um die Begutachtung des eigenen Körpers geht. Die Meinungsumfragen dazu fallen wechselhaft aus wie der Wetterbericht. Die aktuelle „Dove-Beauty-Studie“ kommt nach einer Befragung kampagnengerecht zu dem Schluss, dass sich drei Viertel der Frauen hierzulande „wohl in ihrer Haut“ fühlen, auch wenn der Körper „nicht ganz perfekt ist“. Eine Erhebung durch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung wiederum ergab, dass in Deutschland rund zwei Drittel der Frauen gerne dünner wären.
Im europäischen Durchschnitt wollen sogar von den normalgewichtigen Frauen ganze 58 Prozent schlanker sein. Bei den normalgewichtigen Männern sind es nur 22 Prozent. Ganz schwer tun sich die Britinnen: Eine Erhebung des Internet-Providers AOL zeigte, dass 60 Prozent der britischen Frauen ihren „eigenen Anblick im Spiegel nicht ertragen“ können. Die meisten hätten lieber einen kleineren Bauch, gefolgt vom Wunsch nach schlankeren Hüften und Oberschenkeln.
Die Frauen bereiten sich dabei höchstselbst die Hölle: Sie fühlen sich nämlich interessanterweise eher durch die Schlankheitskonkurrenz anderer Frauen unter Druck gesetzt als durch die vermeintlichen Erwartungen der Männer, auch das zeigen Studien. Männer erzählen zumindest in Umfragen immer wieder, dass sie kurvigere Frauen hübscher finden als Schmale und Zierliche. 80 Prozent der Männer geht das Gejammere der Frauen um ihre Figur sowieso ziemlich auf den Keks, diese tröstliche Erkenntnis stammt vom Meinungsforschungsinstitut Gewis.
Gegen den masochistischen Hang zum Selbst-Runtermachen hilft jedenfalls Ablenkung. Berufstätige Frauen mäkeln weniger an ihrem Körper herum als nicht Berufstätige, erwies eine Umfrage des Emnid-Institutes in Deutschland. Und es gibt Anlass zur Hoffnung: Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper variiert mit dem Alter, ergab die Dove-Umfrage. Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren hadern besonders stark mit ihrem Äußeren. Jüngere und Ältere hingegen finden ihre Formen zumeist ganz okay.
Etwas seelischer Aufbau aus der Werbeindustrie tut jedenfalls gut im Kampf mit den eigenen Klischees im Kopf. Doch andere Konzerne sind bisher nicht nachgezogen im Versuch, ihre Produkte mit fülligeren Frauen zu bewerben.
„Der Aufmerksamkeitseffekt wäre nicht mehr der Gleiche, wenn man das jetzt nachmachen würde“, erklärt Nebel. Beiersdorf hat bereits eigene Erfahrungen mit „Authentizität“ gesammelt. Ende der 90er-Jahre fing der Hamburger Konzern an, mit einem schönen, grauhaarigen Model in den 50ern die „Nivea-Vital“-Serie zu bewerben, auch das brachte steigende Umsätze. „Wir transportierten damals eben nicht mehr die Botschaft für die 50-Jährigen: Nimm diese Creme, und du siehst aus wie 30. Bei uns hieß es vielmehr: 50 ist klasse. So wie es bei Dove jetzt heißt: Füllig ist auch gut“, meint Nebel.
Ob die Botschaft nun bei den Menschen ankommt oder nicht, die dazugehörige Körperlotion muss man nicht kaufen. Denn Bindegewebe wird selbstverständlich nicht straffer, wenn man eine Öl-in-Wasser-Emulsion auf Bauch und Oberschenkel schmiert. Und eigentlich kommt es darauf auch gar nicht an. Sondern auf die Bilder. Nicht nur im Hippocampus.