: Pünktlichkeit wird eingespart
Der Senat will beim öffentlichen Nahverkehr sparen. Für die Kunden hieße das: weniger Anspruch auf Pünktlichkeit, weniger Züge am Wochenende, weniger Service-Personal. Fahrgastverbände befürchten zunehmenden Vandalismus
Die Berliner werden wohl auch künftig über die Unpünktlichkeit von Bussen und Bahnen schimpfen können. Denn der Senat will seine Ansprüche an die Pünktlichkeit im öffentlichen Personennahverkehr zurückschrauben. Das sieht ein Eckpunkte-Papier der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für einen neuen Nahverkehrsplan vor. Das fertige Konzept soll bis Ende 2009 gelten und hat „eine weitere Erhöhung der Wirtschaftlichkeit“ zum Ziel.
Während nach dem jetzigen Plan langfristig 99 Prozent aller Fahrten pünktlich sein sollen, sehen die „Eckpunkte für einen Nahverkehrsplan 2005–2009“ niedrigere Messlatten für Busse und Bahnen vor. Am höchsten bleiben sie für S-Bahnen: „Sie sollen in Zukunft 96 Prozent Pünktlichkeit erreichen, längerfristig 97 Prozent“, sagt Senatssprecherin Manuela Damianakis. Die U-Bahnen bringen es laut Damianakis schon heute auf 95 bis 96 Prozent. Verspätungen bis zu drei Minuten werden dabei nicht berücksichtigt. Busse und Straßenbahnen bringen es nur auf 84 beziehungsweise 86 Prozent. Die Verkehrsplaner haben die Werte aller vier Transportmittel zusammengerechnet und kommen zum Schluss: 90 Prozent Pünktlichkeit sind möglich.
Hinter dem Plan steht aber weniger gewachsener Realismus als eine strikte Sparvorgabe. Deshalb sollen alle Tageslinien am Wochenende zwar weiterhin ab 5.30 Uhr verkehren, aber am Samstag bis 7.30 Uhr und sonntags bis 9 Uhr nur alle 30 Minuten. Für U-Bahnen gilt ein Takt von 15 bis 30 Minuten.
„Die Gefährdung durch Kriminalität wird in der öffentlichen Meinung übersteigert“, heißt es im Senatspapier. Nur vage äußert sich der Entwurf über die „Präsenz von Service- und Sicherheitsmitarbeitern“. Der Berliner Fahrgastverband IGEB vermutet dahinter eine Abkehr vom bisherigen Prinzip, das rund um die Uhr Personal an S-Bahnhöfen vorsieht. IGEB-Sprecher Matthias Horth kritisiert: „Die Verantwortlichen blenden bei ihren Personalkürzungen aus, dass im Gegenzug Vandalismus und Verschmutzungen zunehmen werden.“
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die Senatspläne: „Der bisherige Nahverkehrsplan war ein zahnloser Papiertiger mit einer Liste von Wünschen, deren Umsetzung aber niemand kontrolliert hat oder kontrollieren konnte“, sagt VCD-Sprecher Stefan Kohte. Der normale Fahrtakt im Wochenendfrühverkehr solle jedoch samstags bereits um 6 Uhr und sonntags um 8 Uhr einsetzen.
MATTHIAS LOHRE