Eigenbezeichnungen respektieren

betr.: „Zigeuner können von Schwulen lernen“, taz vom 1. 3. 05

Sollte die Bundesregierung wirklich auf der Bezeichnung „Zigeuner“ in der Gedenkinschrift für die ermordeten Sinti und Roma bestehen, so wäre dies in der Tat ein gewaltiger Affront, der hoffentlich nur auf Ignoranz beruht, die die Bundesregierung offenbar mit Ihrem Kommentator teilt.

Die Bezeichnung „Zigeuner“ ist einfach nicht mehr zeitgemäß, und es hat nichts mit den Nazis zu tun, dass man heutzutage in informierten Kreisen von Roma und Sinti spricht. Auch alte Bezeichnungen wie „Mohammedaner“, „Siamese“ oder „Indier“ würde man nicht mehr in offiziellen Kontexten verwenden. Dass kleinere Völker auf der Verwendung von Eigenbezeichnungen bestehen, ist überall auf der Welt normal: Wir sagen „Sorben“ statt „Wenden“, „Saami“ statt „Lappen“ etc. Dass die Sinti und Roma diesem Trend folgen, ist ihr gutes Recht. Kleinere Völker, die ihre eigene Sprache haben, haben es nicht nötig, sich ihre Eigenbezeichnung aus Nachbarsprachen zu entlehnen oder Rücksicht darauf zu nehmen, welchen Klang diese Bezeichnung in der einen oder anderen „Mehrheitssprache“ hat. Sie haben in jedem Fall ein Recht darauf, dass man ihre Kultur einschließlich ihrer Eigenbezeichnung respektiert.

MARTIN HASPELMATH, Leipzig