Feurige Freidemokraten

Zwei Göttinger Liberale stehen heute vor Gericht. Sie sollen an einer missliebigen Ausstellung gezündelt haben. Die beiden Jungpolitiker behaupten dagegen, sie hätten das Feuer löschen wollen

von Reimar Paul

Vor dem Amtsgericht Göttingen müssen sich heute der langjährige Kreisvorsitzende der FDP und ein Parteifreund wegen politisch motivierter Zündelei verantworten. Nicolo Martin und Moritz Strate sind wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angeklagt, weil sie vor anderthalb Jahren eine Ausstellung über die Besetzung eines AStA-Raumes angesteckt haben sollen. Das Gericht hatte deshalb zunächst Strafbefehle über jeweils 1000 Euro verhängt. Dagegen erhoben Martin und Strate Einspruch.

Bewohner des Hauses, in dem die Ausstellung gezeigt wurde, hatten außerdem Strafantrag wegen versuchter schwerer Brandstiftung gestellt. Dieser Punkt taucht in der Anklage jedoch nicht auf. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass das Feuer früher oder später von allein erloschen wäre.

Studenten und politische Initiativen hatten am Abend des 20. Juli 2003 in der Nähe der Universität ein Straßen- und Kulturfest gefeiert. Viel beachtet war die Ausstellung mit einem detailgetreuen Modell des seinerzeit besetzten Raums im Puppenstubenformat. Die im Keller eines der Häuser aufgebaute Schau thematisierte auch die Rolle der beiden FDP-Leute. Martin war damals Finanz- und Organisationsreferent im AStA, er und Strate waren vehemente Gegner der Besetzung.

Ein Zeuge, der in dem Keller übernachtete, wurde nach eigenen Angaben am Morgen nach dem Fest gegen 6.30 Uhr durch Geräusche aus einem der Nachbarräume aus dem Schlaf gerissen. Der 39-jährige Zeuge, der auch der Ausstellungsmacher ist, stand auf – und unverhofft Martin gegenüber. Nach einem kurzen Streit habe der die Flucht ergriffen, gab der Zeuge später zu Protokoll. Aus einem anderen Kellerraum sei Moritz Strate gestürzt und ebenfalls geflohen. Der Zeuge rannte den beiden hinterher, klingelte die schlafenden Hausbewohner wach und kehrte dann in den Keller zurück. In dem Ausstellungsraum roch es nach Rauch. Jemand hatte Papier in ein Pappmodell des seinerzeit besetzten Gebäudes gesteckt und angezündet. Der Schwelbrand konnte schnell gelöscht werden, Personen kamen nicht zu Schaden.

Gegenüber der taz schilderte auch der heute 29-jährige Martin seine Version der Geschehnisse. Er und Strate hätten sich tatsächlich zur fraglichen Zeit in dem Keller befunden, sagt er. Sie hätten die Ausstellung bereits am Vorabend besuchen wollen, ihnen sei jedoch der Zutritt verwehrt worden. Nach einer Disco-Tour habe man beschlossen, es auf dem Nachhauseweg noch einmal zu versuchen. Als sie den Kellerraum betreten hätten, habe es in der Glasvitrine bereits gebrannt. Die beiden späten Besucher hätten das Feuer mit ihren bloßen Händen gelöscht. Versuche, die Polizei per Handy zu alarmieren, seien fehlgeschlagen, „weil es im Keller keinen Empfang gab“.

Nicolo Martin war seit 2001 FDP-Kreisvorsitzender. Zur Neuwahl vor einer Woche trat er nicht mehr an – angeblich aus beruflichen Gründen. Er beende in diesem Jahr sein Studium und sei sich nicht sicher, ob er in Göttingen bleibe, sagt er. Martin studiert Wirtschaftspädagogik und Germanistik, er ist Unteroffizier der Reserve und Mitglied einer studentischen Verbindung.

Bei den vergangenen Bundestagswahlen bewarb sich Martin um ein Direktmandat für die FDP. Auf seiner Internetseite wendet er sich unter anderem „gegen die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten“ und fordert „Null Toleranz gegen Drogendealer“. Auch launige Sprüche gibt Martin auf der Homepage zum Besten: „Wenn es die Grünen schon vor 200 Jahren gegeben hätte, würde man heute nicht mal eine Aspirin bekommen“, oder „Liberalität ist mehr Freiheit für den Einzelnen, ob nun beim Geld oder in der Liebe!“

Moritz Strate studiert Jura, er ist ebenfalls in einer Burschenschaft. Bei Wahlen zum Studierendenparlament trat er als Spitzenkandidat der stramm rechten Freiheitlich Demokratischen Liste (FDL) an. Die FDL hatte sich als grafisches Symbol eine lodernde Flamme ausgesucht. Mit diesem Zeichen, das in der Bundesrepublik Deutschland verboten ist, geht in Frankreich auch der rechtsextreme Front National auf Stimmenfang.