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Archiv-Artikel

Rügener rügen Heidelberger

Um die Insel weiter mit Kies zu versorgen, will die Heidelberger Zement AG eine neue Grube erschließen. Der Schweriner Landtag hält das Gebiet seit Jahren für schützenswert. Deshalb wollen Naturschützer das Areal jetzt kaufen

BERLIN taz ■ Rügen ist um eine Attraktion ärmer: Die „Wissower Klinken“, zwei spitz aufragende Kreidefelsen an der Steilküste, sind abgebrochen. Die „Klinken“ gelten als Vorbild des berühmten Gemäldes von Caspar David Friedrich. Eine Legende: Als 1818 das Bild entstand, gab es die Kreidegebilde noch nicht.

Keine Legende ist allerdings, dass der Ostseeinsel der Kies ausgeht: Die einzige Grube ist fast geleert. Deshalb plant die Heidelberger Zement AG ein Küstengebiet am Neuendorfer Wiek zu erschließen – laut Heidelberg die einzige Förder-Alternative auf Rügen. Dass etwa Naturschutzbund oder Grüne Liga gegen Gesteinsabbau protestieren, ist klar: Sie halten das Gebiet für schützenswert. Allerdings sind sie nicht allein. Die Gemeinden rings um das 29 Hektar große Abbaugebiet suchen seit Jahren mit EU-Fördermitteln den Tourismus zu stärken.

Dass die Heidelberger hier Kies abbauen können, liegt an der DDR: Nach sozialistischem Bergrecht – übergangsweise galt das bis 1996 – durfte auch auf Grund geschürft werden, der vorher nicht gekauft wurde. Es genügte eine Abbaugenehmigung. Und die hat das Bergamt Stralsund erteilt. Begründung: Aus anderen Quellen könne die Kiesversorgung Rügens nicht gesichert werden.

Das bringt Naturschutzer auf die Palme: „Fachleute haben im geplanten Abbaugebiet über 20 Pflanzenarten nachgewiesen, die auf der Roten Liste stehen“, sagt Corinna Cwielag, BUND-Landeschefin. Das Botanische Institut der Uni Greifswald belegt in einer Studie, dass das Areal die Flora-Fauna-Habitat-Kriterien erfüllt. Selbst dem Landtag ist das Gebiet am Neuendorfer Wiek schützenswert. Im Dezember 2004 beschloss er die Ausweisung als Naturschutzgebiet. Bislang sorgte allerdings ausgerechnet das Landesamt für Umwelt dafür, dass die größten Teile des Abbaugebietes aus der Schutzzone ausgegliedert wurden.

„Der abgebaute Kies soll ausschließlich zur Deckung des Inselbedarfs abgebaut werden“, erklärt eine Heidelberg-Sprecherin. Laut Planfeststellungsbeschluss dürfen jährlich 200.000 Tonnen fördern. „Rügen braucht nur die Hälfte“, sagt Martin Froben, Leiter des Bergamts Stralsund. Fragt sich, warum sein Amt die Abbaugenehmigung überhaupt erst erteilte.

Das fragen sich viele. „Wir wollen den Kiesabbau dort nicht und wir werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren“, erklärt Kerstin Kassner, Landrätin von Rügen. Die vielleicht cleverste Methode: die Lagerstätte einfach kaufen. Seit einiger Zeit sammelt der BUND dafür Geld. „Bislang kann uns die Heidelberger Zement AG noch überbieten“, sagt Corinna Cwielag. Allerdings hofft sie: Nicht mehr lange. BENJAMIN HUG

vorort.bund.net/mv/