„Frau ist effektiver“

Chefinnen sind sogar bei Männern beliebter als Chefs, sagt die Führungsexpertin Alimo-Metcalfe

INTERVIEW RALF SOTSCHECK

taz: Mrs. Alimo-Metcalfe, Chefinnen haben häufiger Alkoholprobleme als Männer in der gleichen Position, sagt eine britische Studie. Chefin sein – schafft das eine Frau nur, wenn sie sich ruiniert?

Beverly Alimo-Metcalfe: Auf jeden Fall hat sie mehr Stress als ein Mann auf dem gleichen Posten. Sie arbeitet in einem männlich geprägten Umfeld.

Scheitert sie auch an der Ablehnung der Männer?

Das stimmt nur halb. Hat die Frau es einmal auf den Posten geschafft, ziehen die Männer sie einem Chef vor. Wir haben das empirisch überprüft. In einem Katalog mit 14 Kriterien sollten Mitarbeiter beurteilen, wie effektiv sie männliche und weibliche Chefs einschätzen. Wie risikofreudig sind sie, können sie motivieren und Probleme lösen? Das waren einige der Fragen. Die Männer haben Frauen bei 13 dieser 14 Punkte mehr Effektivität bescheinigt. Lediglich bei der Entscheidungsfreude lagen beide Geschlechter gleichauf.

Zwischen Mitarbeiterin und Chefin scheint weniger Harmonie zu herrschen. In vielen Betrieben sinkt der Frauenanteil, nachdem eine Frau die Führung übernommen hat.

Unsere Studien ergeben ein anderes Bild. Frauen halten Chefinnen in 11 der 14 Punkte für effektiver als einen Mann, in drei Punkten steht es unentschieden. Die breite Zustimmung für die Frau auf dem Chefsessel ist kein Zufall. Wir erleben gerade einen Wandel. In den Achtziger- und Neunzigerjahren dominierte das US-Modell eines charismatischen Chefs. Jetzt ist es überholt. Soziale Kompetenzen sind gefragter.

Frauen im Chefsessel sollen sozialer sein – das ist doch nur ein Klischee.

Nein. Chefinnen und Chefs unterscheiden sich deutlich. Männer betreiben eine Art Handel: Wer spurt und gut arbeitet, wird mit einer Gehaltserhöhung oder einem schicken deutschen Dienstwagen belohnt, wer schlecht arbeitet, wird mit Sanktionen bestraft. „Transaktion“, so kann man dies beschreiben. Frauen dagegen sind informeller. Sie haben Geduld und sind bereit, zum Wohl des Teams selbst mit anzupacken. Chefinnen motivieren, inspirieren und lösen Probleme besser. Sie beteiligen ihre Mitarbeiter stärker an Entscheidungsfindungen und haben ein Gefühl für deren Stärken und Schwächen. Sie geben ihre menschliche Seite nicht an der Bürotür ab, sie vergessen nicht so schnell, wie sich die Mitarbeiter fühlen. Und sie hüten Informationen nicht als Herrschaftswissen, sondern teilen sie mit ihren Mitarbeitern. Sie sind durch all das einfach effektiver. Wir nennen das einen „Transformations-Führungsstil“.

Wenn das stimmt – warum schaffen es es dann nicht mehr Frauen in Führungspositionen?

Dass so wenige Frauen die Spitzenjobs erreichen, liegt auch an den Auswahlkriterien. Transformations-Fähigkeiten – also das, was Chefinnen auszeichnet – sollten bei der Besetzung eines Postens stärker berücksichtigt werden.

Muss eine Frau bis dahin nicht männliche Machtmuster übernehmen, um Chefin zu werden?

Offenbar ist das ein Weg zum Erfolg. Wir wissen: Gerade in den obersten Etagen verhalten sich viele Chefinnen maskulin. Anders im mittleren Management. Dort können wir deutliche Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Führungsstil beobachten.

Wer blickt skeptischer auf den Karriereweg einer Chefin – ein Mann oder eine Frau?

Dazu liefert eine Studie interessante Ergebnisse, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den USA, Großbritannien und Deutschland befragt hat. Die Männer meinten: Frauen sind durch Glück an den Spitzenjob gekommen, Männer durch ihr Können. Die Frauen hingegen sahen einen deutlichen Zusammenhang zwischen spezifisch weiblichen Fähigkeiten und beruflichem Erfolg. Lediglich die deutschen Frauen fielen aus dem Rahmen: Sie fanden, genau wie die Männer, keine Verbindung zwischen weiblichen Eigenschaften und dem Erfolg als Chefin.

Ein Klischee über Frauen im Job lautet: Frauen planen ihre Karriere nicht. Sie warten, ob sie entdeckt werden. Ist das nur ein Vorurteil?

Fakt ist: Die Karrieren von Männern sind stärker linear, die der Frauen eher kaleidoskopisch. Das liegt zum Teil daran, dass sie meist Kinder versorgen müssen und erst danach Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten. Vielen Frauen bleibt gar keine andere Wahl. Ich selbst habe zwei-, dreimal die Richtung gewechselt, mich im Erziehungsurlaub weiterqualifiziert. Bei aller Selbstkritik dürfen wir nicht vergessen: Das größte Karrierehemmnis der Frau ist immer noch der Mann. Er ist der Türwächter, er entscheidet meist über die Stellenvergabe. Es wird Zeit, dass Männer sich neu orientieren.