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Archiv-Artikel

Biomasse muss nachhaltiger werden

BUNDESTAG Abgeordnete beschließen strengere Regeln für Stromerzeugung aus Biomasse. Berechtigungen zum Ausstoß von Treibhausgas erhalten die Versorger aber zu 91,5 Prozent geschenkt

Die Stromkonzerne bekommen einen satten Extragewinn auf Kosten ihrer Kunden

BERLIN taz | Steuerflucht, Emissionsrecht, Ehrenamt – der Bundestag hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause eine Reihe von energie-, wirtschafts- und umweltpolitischen Gesetzen beschlossen. Um die Regierungsmehrheit nicht zu gefährden, war sogar Kanzlerin Angela Merkel um Mitternacht im Plenum erschienen.

Mit dieser Mehrheit wurde eine Nachhaltigkeitsverordnung für flüssige Biomasse in Kraft gesetzt. Zur Verstromung darf demnach ab Januar nur noch Biomasse eingesetzt werden, wenn sie nachhaltig erzeugt wurde. Bedeutet: Der Anbau muss Sozial- und Umweltstandards erfüllen, die durch ein Zertifizierungssystem überprüft werden. Flüssige Biomasse muss demnach so hergestellt werden, dass ihr Einsatz zur Stromerzeugung mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase freisetzt als fossile Energieträger wie Erdöl oder Kohle. Bis 2018 soll diese Mindestanforderung auf 60 Prozent steigen. Außerdem dürfen die Ölpflanzen nicht auf Flächen mit hohem Naturschutzwert wie etwa Regenwäldern und Feuchtgebieten angebaut worden sein.

Angenommen wurde auch die Verordnung über die Emissionshandel-Versteigerung: Sie regelt die Auktionierung von Zertifikaten für den Ausstoß von jährlich 40 Millionen Tonnen während der Jahre 2010 bis 2012, die den Betreibern von Kraftwerken dann nicht mehr kostenlos zugeteilt werden. Hört sich toll an, ist es aber nicht: Obwohl die Energiekonzerne den Zertifikatspreis bereits auf den Strompreis umgelegt haben, bekommen sie immer noch 91,5 Prozent der Zertifikate geschenkt. Ersteigern müssen sie nur 8,5 Prozent. Macht einen satten Extragewinn auf Kosten der Stromkunden.

Auch im Kampf gegen Steuerflucht gelten künftig strengere Vorgaben. Menschen mit hohen Einkommen haben erweiterte Erklärungspflichten. Auch für Firmen gelten schärfere Auflagen, wenn sie mit Ländern Geschäfte machen, die sich nicht an die Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) halten. Inzwischen wollten dank des internationalen Drucks 84 Länder die Standards zum Informationsaustausch über Steuerhinterziehung anerkennen.

Ehrenamtliche Vereinsvorstände müssen künftig keine Schadenersatzforderungen mehr befürchten. Vorsitzende eines Filmclubs etwa, die weniger als 500 Euro Aufwandsentschädigung im Jahr bekommen, haften persönlich nicht mehr, wenn es im Winter auf dem nicht geräumten Parkplatz des Clubs kracht.

Unerledigt ließen die Abgeordneten etwa die Novelle des Waldgesetzes. Gescheitert ist eine grundsätzliche Umgestaltung der Verpackungsverordnung hin zu einer Wertstoffverordnung, genauso wie eine „Lenkungsabgabe“ auf Einwegverpackungen. Abgelehnt haben die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sowie der FDP auch, die Dienstwagenbesteuerung künftig nur an der Energieeffizienz auszurichten, wie es die Grünen gefordert hatten. NICK REIMER