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Archiv-Artikel

SPD will mehr Zeit für Kassensturz

SPD und CDU streiten über den richtigen Zeitpunkt für die Verabschiedung des städtischen Haushaltes. Die SPD will bis Juli warten. Eine Koalitionsrunde soll heute Klärung bringen

KÖLN taz ■ Die SPD/CDU-Koalition will heute über ihre Unstimmigkeiten wegen der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2005/2006 und der Sparvorschläge beraten. Die SPD will den Haushalt erst in der Ratssitzung am 5. Juli verabschieden, ihr Koalitionspartner möchte ihn nach Aussage von Parteichef Walter Reinarz schon bis zum 7. April unter Dach und Fach haben.

Die von der Verwaltung Ende vergangener Woche vorgelegten Sparvorschläge in Höhe von rund 26 Millionen Euro entsprächen „teilweise nicht den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen politischen Zielen“, erklärte Martin Börschel, SPD-Fraktionschef und finanzpolitischer Sprecher, gestern die gewünschte Verschiebung: „Außerdem sind entscheidende Finanzdaten für den Haushalt nach wie vor so unklar, dass eine seriöse Entscheidung derzeit nicht möglich ist.“ SPD und CDU müssten jetzt eine politische Prioritätenliste zur Vorlage bei der Verwaltung erarbeiten. Diese bräuchte dann ausreichend Zeit, „nach diesen Vorgaben seriöse, tragfähige Sparvorschläge“ zu machen.

Wie der Kölner Stadt Anzeiger gestern berichtete, hat sich die CDU nach Angaben von Fraktionsgeschäftsführerin Petra Grah auf ihrer Klausurtagung am Wochenende „über 21 Millionen Euro verständigt“. Sparen wolle die Partei hauptsächlich bei Personal und Umorganisation in der Stadtverwaltung, nicht aber bei Jugendzentren, in der Sozialarbeit und bei den Horten.

SPD-Fraktionschef Marin Börschel verwies auf die Finanzlage der Stadt Köln, die „so verheerend wie nie zuvor“ sei. So hätten bereits im Haushaltsentwurf vom November letzten Jahres 65,9 Millionen Euro zum Ausgleich gefehlt. Allein in den vergangenen drei Monaten sei das Defizit auf 127,1 Millionen Euro gestiegen. Nach neuesten Zahlen des Kämmerers beläuft sich das Gesamtdefizit der Stadt derzeit auf 517 Millionen Euro. Jetzt müsse ein konsequenter Kassensturz erfolgen, forderte Börschel: „Luftbuchungen können und wollen wir uns nicht leisten. Solidität hat höchste Priorität.“

Börschel verwies auch auf die unklaren Auswirkungen von Hartz IV auf die Stadtkasse. Während die Kämmerei Einsparungen von rund 47 Millionen Euro bei den Unterkunftskosten und den Zahlungen der Sozialhilfe prognostiziere, wolle das Bundeswirtschaftsministerium gleichzeitig den Bundesanteil an den Wohnkosten senken. Das könnte Mindereinnahmen von rund 70 Millionen Euro bedeuten. Auch die Entwicklung der Gewerbesteuer sei noch zu unsicher, da der Etatentwurf ein positives Wirtschaftswachstum zugrunde lege, sagte Börschel. Andere Kosten seien noch gar nicht im Haushalt berücksichtigt, so etwa die Entscheidung über Sanierung oder Neubau von Oper und Schauspielhaus oder die voraussichtlichen Mehrkosten beim Bau der Nord-Süd-Stadtbahn.

Auch der grüne Fraktionsvize Jörg Frank hält es für riskant, den städtischen Haushalt schon in den nächsten Wochen zu beschließen. Noch seien die Auswirkungen von Hartz IV nicht bekannt, Schwankungen von bis zu 30 Millionen Euro möglich. Erst im Mai, wenn genauere Zahlen für Hartz IV und die Steuerschätzung vorlägen, könne der Haushalt festgezurrt werden.

Bis Juli zu warten, wie es die SPD will, hält Frank aber nicht für sinnvoll, weil die Stadt so lange auf Sparflamme wirtschaften müsse. Dass die Stadt bis 2012 defizitfrei sein will, hält er für unwahrscheinlich. Dann müsse auf Teufel komm raus privatisiert werden: Messe, Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften. – Ein Vorschlag, den die CDU wohl machen werde. „Und auch manche von der SPD.“ ISABEL FANNRICH