: Ein Etappensieg für den Kreml
Mit dem Tod des tschetschenischen Rebellenführers Maschadow schwindet die letzte Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg. Der Jugend geht es nicht mehr um staatliche Unabhängigkeit, sondern um einen heiligen Krieg
AUS MOSKAUKLAUS-HELGE DONATH
Offiziell ist der tschetschenische Rebellenführer und legitime Präsident der Kaukasusrepublik Aslan Maschadow vorgestern durch den Einsatz russischer Spezialeinheiten in der Ortschaft Tolstoi-Jurt in der Nähe von Grosny ums Leben gekommen. Für den Kreml war dies ein großer Moment. Präsident Wladimir Putin nahm den Rapport des Inlandsgeheimdienstchefs Patruschew vor laufenden Kameras entgegen und gab den weiteren Kurs der russischen Kaukasuspolitik bekannt: die Vollstrecker des Anschlags seien umgehend mit Orden auszuzeichnen, meinte der Kremlchef martialisch.
Der Geste des Präsidenten haftete etwas Archaisches an, die weniger von politischer Strategie als von einem vorgesellschaftlichen Rachegefühl, einer Mischung aus Gewalt und Symbolik, zeugte. Während die politische Führung den Fang als das Ende des Terrorismus darstellte, begegneten die Hörer des noch unabhängigen Radiosenders „Echo Moskau“ den Friedensfanfaren des Kreml eher misstrauisch. 82 Prozent der Hörer fürchteten in einer spontanen Umfrage, die Gewaltspirale werde jetzt erst recht eskalieren. Russlands Bürger haben den Bezug zur Wirklichkeit nicht verloren.
Mit Maschadows Tod schwindet die letzte Hoffnung, mit Russland noch eine friedliche Lösung auf dem Verhandlungsweg zu erzielen. Anders als in den ersten Jahren des Tschetschenienkrieges hatte sich Maschadow nach der Geiselnahme in Beslan deutlich von dem notorischen Terroristen Schamil Bassajew distanziert. Dem Kreml bot er wiederholt Gespräche an, im Februar verfügte er zudem eine Waffenpause, die von den Rebellen zum Erstaunen Moskaus auch eingehalten wurde.
Maschadow widerlegte damit die Behauptungen des Kreml, er hätte jeden Einfluss auf die Freischärler verloren und sei daher kein angemessener Gesprächspartner. Moskau antwortete mit Verleumdungskampagnen und inszenierte vermeintliche Zwischenfälle in Tschetschenien. Maschadow richtete die Friedensangebote zwar an den Kreml, tatsächlich waren sie aber ein Signal an die europäische Öffentlichkeit. Dort wollte er sich als Kopf des politischen Flügels der Separatisten profilieren. Nur internationaler Druck, so sein Kalkül, hätte die Logik der Gewalt des Kreml noch stoppen können.
Mit Maschadow starb der letzte separatistische Vertreter, der noch in der Lage gewesen wäre, Verhandlungen zu führen. Mit ihm verließ aber auch der letzte namhafte Tschetschene das Schlachtfeld, der überhaupt noch Hoffnungen hegte, Russlands Blutfeldzug am runden Tisch beenden zu können.
Für die Separatisten ist Maschadows Tod ein tragischer Verlust. Zwar versuchen sie den Eindruck zu erwecken, ein würdiger und kompetenter Nachfolger würde bald dessen Aufgaben übernehmen. Doch der steht nicht bereit. Radikale Feldkommandeure werden unter sich die Nachfolgefrage klären.
Fraglich ist, ob die Kommandostrukturen des Untergrunds diesen Schlag überhaupt überstehen werden. Die junge – nicht mehr in der UdSSR aufgewachsene Generation – verbindet mit Russland nichts Erfreuliches mehr – nur Krieg und Hass. Gnadenlose Terroristen wie Schamil Bassajew stehen bei den jungen Leuten hoch im Kurs. Ging es den Separatisten vornehmlich darum, die staatliche Unabhängigkeit zu erlangen, hat sich die Jugend mit Haut und Haar dem „heiligen Krieg“ verschrieben.
Damit wächst die Gefahr eines Flächenbrandes im Kaukasus. Kurz vor seinem Tod wies Maschadow in einer russischen Zeitung darauf hin, dass radikale Gruppen inzwischen in allen nordkaukasischen Republiken operieren. Längst nicht mehr nur Tschetschenen, sondern auch Tscherkessen, Karatschaier, Balkaren, Awaren, Kabardiner und viele andere Nationalitäten greifen zu den Waffen. So schleiften Spezialeinheiten in den vergangenen vier Monaten bei 13 Einsätzen in sechs kaukasischen Städten außerhalb Tschetscheniens ganze Wohnblocks, in denen Untergrundkämpfer vermutet wurden.
Der Kreml kann nun mit Fug und Recht behaupten, es gäbe keine Ansprechpartner mehr. Moskaus Taktiker haben einen Etappensieg errungen, den Krieg können sie nicht gewinnen.
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