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Archiv-Artikel

Gebrochenes Eishockey-Herz

Die DEG Metro-Stars werden wohl erneut die Eishockey-Playoffs verpassen. Schuld sind Spiele wie zuletzt gegen Ingolstadt. Dort verspielten die Düsseldorfer im letzten Drittel eine 3:0-Führung

„Ich habe mir das Video angeschaut und kann es immer noch nicht fassen“

AUS DÜSSELDORFCHRISTIANE MITATSELIS

Die Situation ist so gut wie hoffnungslos, also ruft Butch Goring höhere Mächte an: „Wir brauchen ein kleines Wunder“, sagt der kanadische Coach der Düsseldorfer EG. Oder vielleicht doch ein bisschen Hexerei und Magie? In der deutschen Eishockey-Liga (DEL) belegt der achtmalige Meister Düsseldorf zwei Spieltage vor Ende der Vorrunde Rang zehn. Sechs Punkte beträgt der Rückstand auf den achten Platz, der zur Playoff-Teilnahme berechtigt. Seine Mannschaft werde bis zuletzt alles versuchen, sagt Goring ordnungsgemäß kämpferisch. „Ich habe den Jungs ganz klar gesagt, dass sie es noch schaffen können.“

Die DEG müsste dazu auf jeden Fall heute Abend (19.30 Uhr) in Krefeld, bei den zuletzt fünfmal in Serie siegreichen Pinguinen, und am Sonntag gegen Kassel gewinnen. Die Düsseldorfer Chancen (65 Punkte) bewegen sich jedoch auch im optimalen Fall von zwei Siegen im sehr theoretischen Bereich – angesichts der punktstärkeren Konkurrenten Krefeld (71 Punkte), Hamburg (71) und Augsburg (70). Somit steht Düsseldorf, realistisch gesehen, vor der größten Pleite seit der Aufstiegs-Saison 2000/2001 – damals verpasste die DEG als Tabellen-Elfter die DEL-Meisterrunde.

Vieles ist in dieser Spielzeit schief gelaufen in Düsseldorf. Charakteristisch für den wechselhaften Saisonverlauf war der Auftritt der Mannschaft am vergangenen Sonntag. Noch in der 58. Minute lag Gorings Team im Heimspiel gegen den ERC Ingolstadt sicher mit 3:1 in Führung, ein ansprechendes Spiel hatte Düsseldorf bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt. Es folgte ein Einbruch der fürchterlichen Art. Aus dem 3:1 machten die Gäste aus Bayern innerhalb von nur 156 Sekunden ein 3:4. Allen drei Gegentreffern gingen individuelle Fehler voraus. „Ich habe mir das Video angeschaut und kann es immer noch nicht fassen“, sagt Goring. Der erst im Februar nachverpflichtete NHL-Stürmer Kevyn Adams meinte gar: „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Mein Herz ist gebrochen.“

Als Goring im November die Nachfolge von Michael Komma antrat, übernahm er eine heikle Aufgabe. Der eigenwillige Tölzer Trainer hatte die DEG zwar offiziell zum Meisterschaftsaspiranten erklärt, jedoch sein Team sehr schlecht gemischt. Profis wie Martin Ulrich (35), Mike Pellegrims (36) oder Eric Dandenault (34) haben ihren Zenit überschritten. Kapitän Andrew Schneider, der mit hohen Erwartungen aus Hamburg gekommen war, spielte seine schlechteste DEL-Saison überhaupt. „Einige Spieler haben die großen Ziele und die Zukunft des Vereins nicht verinnerlicht“, sagte DEG-Geschäftsführer Elmar Schmellenkamp nach dem Ingolstadt-Debakel. Ein paar der offensichtlich minder motivierten Profis würde der Klub wohl gern schnellst möglich loswerden, da Komma jedoch allerlei langfristige Verträge abgeschlossen hat, kann die DEG nicht frei handeln.

Gorings Vertrag endet mit der Saison, ob er Trainer in Düsseldorf bleibt, ist fraglich. Klar ist nur: Die DEG will im Herbst 2006 die wechselvolle Geschichte der Brehmstraße hinter sich lassen und in eine neue, schicke Arena im Stadtteil Rath umziehen. Dazu möchte man Erfolgsmanager Lance Nethery vom Deutschen Eishockey-Meister Frankfurt Lions verpflichten. Der Kanadier hat noch keine Entscheidung über seine Zukunft gefällt, Gerüchten zufolge soll er aber stark zu einem DEG-Engagement tendieren. Erst wenn ein Manager gefunden ist, soll die Trainerfrage geklärt werden.

Falls das von Goring beschworene Wunder nicht eintreten sollte – einen kleinen Hauch von Hoffnung für die Zukunft gibt es schon jetzt: Der 22-jährige Stürmer Patrick Reimer, den die DEG aus Kaufbeuren verpflichtet hat, wird am Sonntag als bester Newcomer der Saison ausgezeichnet. Immerhin.