: Land erklärt Frieden im Kosovo
Das nordrhein-westfälische Innenministerium hält an Abschiebungen in den Kosovo fest, obwohl internationale Beobachter davor warnen, dass die ethnische Gewalt erneut ausbrechen könnte
VON ULLA JASPER
Bombenanschläge auf Politiker, ethnische Gewalt allerorten, 70 Prozent Arbeitslosigkeit – doch für das nordrhein-westfälische Innenministerium reicht das nicht aus, um sich zu einem vorläufigen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus dem Kosovo durchzuringen.
Unverdrossen schiebt die Landesregierung auch weiterhin Flüchtlinge in die Region ab und hält dabei an der Einschätzung fest, dass die Lage der Provinz stabil genug sei, um die Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kosovoalbanern und Serben, die im letzten Sommer zu rund zwei Dutzend Toten geführt hatten, beeindruckten die Düsseldorfer Landesregierung wenig. Dort bleibt man unbeirrt bei der Linie, die Innenminister Fritz Behrens (SPD) voreilig schon im Juni 2002 ausgegeben hatte: Die Flüchtlinge müssten nun in ihre Heimat zurückkehren, „weil es im Kosovo keinen Bürgerkrieg mehr gibt“.
Das Brüsseler Forschungsinstitut International Crisis Group ist in seiner Einschätzung zur Situation der Region jedoch weit weniger optimistisch. In seinem aktuellen Report kommt das Institut nun zu dem Schluss, dass angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage und der weiterhin unklaren politischen Zukunft des Landes die Gefahr eines neuen Gewaltausbruchs sehr bedrohlich sei. Der gestrige – fehlgeschlagene – Anschlag auf den kosovarischen Präsidenten Ibrahim Rugova scheint diese Befürchtung zu bestätigen.
Im nordrhein-westfälischen Innenministerium beruft man sich jedoch auf die UN-Interimsverwaltung (Unmik) im Kosovo, die vor Ort beurteile, ob die Lage in der Region stabil genug sei, um weitere Flüchtlinge aufzunehmen. „So lange Unmik uns nicht das Signal gibt, die Rückführung der Flüchtlinge zu stoppen, haben wir keinen Grund, die Abschiebungen auszusetzen“, erklärt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Ministeriums. Auch die aktuellen Ereignisse in der Unruheprovinz und die Warnungen internationaler Beobachter haben demnach keinen Einfluss auf die Abschiebepraxis der Landesregierung. „Ein Abschiebestopp steht im Moment nicht zur Diskussion“, so Pelzer. Ausschlaggebend sei allein das Urteil der Unmik.
Doch während die Landesregierung noch daran glaubt, dass die Lage in der Krisenregion gefestigt genug ist, um Flüchtlinge dorthin abzuschieben, scheint die aktuelle Entwicklung diesen Glauben zu widerlegen. Erst zu Beginn des Monats hat die Bundeswehr ihr Kontingent vor Ort um weitere 600 Soldaten verstärkt, um eine „klare Botschaft“ auszusenden. Und die Crisis Group schreibt in ihrem Bericht, ein „gewaltsamer Zusammenbruch droht weitere Verhandlungen und eine politische Lösung des Konflikts zu zerstören“.
„Die aktuellen Ereignisse im Kosovo zeigen ganz deutlich, wie gefährlich und instabil die Situation weiterhin ist“, erklärt auch der Flüchtlingsrat NRW. Die Behauptung der Landesregierung, Abschiebungen nur im Einklang mit den Empfehlungen von Unmik durchzuführen, zweifeln die Flüchtlingsvertreter an. „Länder und Bund üben verstärkt Druck auf die Unmik im Kosovo aus, damit diese weiteren Abschiebungen – auch von Minderheiten – zustimmt.“ Der Rat befürchtet, die Abschiebepolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung werde in den kommenden eher noch verschärft. Möglicherweise werde noch in diesem Jahr der Abschiebestopp für Roma und Serben aufgehoben.
Dass die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen im Kosovo gefestigt genug sind, um die ethnischen Konflikte auszugleichen und Minderheiten zu schützen, glauben die Vertreter der Flüchtlingsorganisation nicht. Besonders die wirtschaftliche Lage mache die Wiedereingliederung und den gesellschaftlichen Wiederaufbau extrem schwierig, worunter vor allem die Minderheiten zu leiden hätten. „Die Diskriminierung von Minderheiten steht im Kosovo weiterhin auf der Tagesordnung.“