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Archiv-Artikel

Relative Richtweg-Rentabilitäten

Laut HVG ist das Musicaltheater „stetig ausgelastet“ – allerdings finanziert das weder Miete noch Kapitaldienst

Bremen taz ■ 120.000 BesucherInnen pro Jahr braucht das Musicaltheater am Richtweg nach Berechnungen des Wirtschaftsressorts, um im „operativen Geschäft“ eine schwarze Null zu schreiben. Mit anderen Worten: Die Ausgaben für Personal und die direkten Betriebsmittel werden ab dieser Publikumsmarge wieder reingeholt.

Seit Juli vergangenen Jahres ist das die Aufgabe der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG). Sie hat das Haus vom kurzfristig dort residierenden Goethe-Theater übernommen und füllt es, eigenen Angaben zufolge, mit „Evita“, „West Side Story“, „Bolero“ und anderen eingekauften Produktionen derart, dass die angesprochene „operative Rentabilität“ bilanziert werden könne. Für das laufende Jahr plant die HVG rund 170 Veranstaltungen und konstatiert damit eine „stetige Auslastung“ des Hauses. HVG-Chef Claus Kleyboldt: „Wir haben nicht damit gerechnet, so schnell auf dem Markt zu sein.“

Von Mietbeiträgen für das schick hergerichtete Haus (die Stadt zahlt jährlich 869.000 Euro an den Eigentümer sowie 2,26 Millionen Euro für den Umbaukredit) ist die HVG trotzdem weit entfernt. Denn was die so genannte „schwarze Null“ als Gewinn abwirft, muss laut Vorgabe der Wirtschaftsförderungsausschüsse zunächst zur Tilgung der Sozialplankosten verwendet werden, die die Produktion „Jekyll & Hyde“ hinterlassen hat – mit der war das ehemalige Zentralbad Anfang 1999 als Musicaltheater eröffnet worden. Die noch offene Tilgungssumme beträgt einer Vorlage des Wirtschaftsressorts zufolge 435.000 Euro. Nächster für die HVG als vordringlich definierter Kostenpunkt sind aus dem Ankauf der Veranstaltungstechnik entstehenden Abschreibungen in Höhe von gut 1,8 Millionen Euro.

Bremen hatte sein Musical-Engagement just zu dem Zeitpunkt gestartet, als eine massive Marktbereinigung einsetzte, die bundesweit nur vier Standorte übrig ließ. Die Konsequenz der HVG: Sie setzt sozusagen auf den „zweiten Veranstaltungsmarkt“, also auf Gastspiele, die im Rahmen ihrer Zweitvermarktung für einen Tag oder maximal sechs Wochen nach Bremen kommen. Übernachtungsgäste allerdings – die bei den haushaltspolitischen Renatabilitätsberechnungen für die Bremer Musical-Investition immer eine wesentliche Rolle spielten – werden so in nur beschränktem Maß nach Bremen geholt. Denn anders als dauerhaft laufende Musicals haben sie kaum Chancen, in die Städtereisen-Kataloge aufgenommen zu werden.

Das andere strukturelle Problem: Durch die freien Kapazitäten am Richtweg wächst der Veranstaltungskannibalismus mit anderen Häusern, insbesondere mit der ebenfalls 1.400 Plätze fassenden „Glocke“ – die über eine Tochtergesellschaft auch von der HVG betrieben wird. Konkretes Beispiel: die Percussionproduktion „Stomp“, die früher mit sieben Ensuite-Aufführungen in der „Glocke“ gastierte, ist für diesen Sommer am Richtweg gebucht. Henning Bleyl